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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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originär. Axel gibt uns Beispiele. Die Apotheke heißt a
pteekki
, der Apotheker ist ein
apteekkari
. Die Bank als Geldinstitut heißt
pankki
, die, auf der man sitzt, heißt
penkki
. »Auf die lange Bank schieben« wiederum heißt
lykäta tuonnenmmaksi.
Der Kiosk ist hier ein
kioski.
Fasane heißen tatsächlich
fasaani
. Beton heißt
betoni
. Mein Bruder heißt jetzt
Akseli
. Meine finnische Schwägerin Viivi nennt mich
Berntti
.
    Aber das klappt nicht immer, warnt mein Bruder. Kirche heißt nicht
kirkki
, sondern
kirkko
. Axels Vokabelstunde wird fast zu einem Comedy-Auftritt. Ilse schüttelt lachend den Kopf.
Kipsi
ist Gips. Aspirin heißt
aspiriini
, das Finale ist das
finaali
, Theater wird zu
teatteri
, Bayern zu
baijeri
. Man darf sich von dieser Zusammenstellung aber nicht blenden lassen. Die Sprache ist nicht witzig! Gar nicht.
    Es gibt zwei grundlegende Unterschiede zum Deutschen. Beim Schreiben ist es die permanente Kleinschreibung, außer am Satzanfang, beim Sprechen ist es das Duzen. Zur Aussprache: Der Finne spricht fast alles so, wie er schreibt, wobei man sich bei vielen Wörtern nicht vorstellen kann, wie man das sprechen könnte. Und er betont immer die erste Silbe. Das muss man üben, im Sprechen und im Hören. Telle, eine Finnin, die ich in Tampere treffe und die in Deutschland ihre Heimatsprache unterrichtet, erklärte mir: »Wenn du ein finnisches Wort sprichst, musst du mit einem Paukenschlag beginnen, im weiteren Verlauf des Wortes kannst du nachlassen. Am besten, du stampfst mit dem Fuß auf, wenn du die erste Silbe sagst.« Also, aufstampfen beim »ru« und nachlassen:
ru-sina
. Rosine. Natürlich!
    Axel referiert aus seinem Sprachunterricht. Es gibt keine Pronomen vor dem Wort, kein »im« Wald, kein »auf dem« Boden, sondern alles – auch die Deklination durch alle Fälle, und von denen gibt es immerhin 15 (!) –, alle Bezüge, besitzanzeigende Fürwörter, alles Grammatikalische, was bei uns vor dem Wort steht, wird hinten an das finnische Wort angehängt. Direkt. Man nennt das Suffixe, Nachsilben. Deshalb ist das Finnische eine »agglutinierende« Sprache. Das habe ich nachgeschlagen. Angehängte Silben. Dadurch verlängert sich manches Wort regelrecht unheimlich, und einige gehen schnell über mehrere Zeilen. Telle sagt: »Der Finne braucht immer einen Vokal hinten, um seine 15  Fälle anhängen zu können.«
    Dabei verändern sich oft auch die Buchstaben. In der Konjugation unterliegen die Konsonanten einem Stufenwechsel, und durch die Vokalharmonie verschiebt sich ebenfalls so einiges im hinteren Teil finnischer Wörter. Ich kann das nicht näher erklären. Ich war nur drei Wochen dort. Nur ein Beispiel, an dem ich schon gescheitert bin: Lahti heißt
Lahti
. Aber der Genitiv ist
Lahden
.
Lahden kansanopisto
ist Lahtis Jugendherberge. Übrigens nur im Sommer, das Gebäude ist in den anderen Jahreszeiten ein Bildungsinstitut. Liest man erst
Lahti
, dann
Lahden
, so hat man als deutscher Reisender sofort das Gefühl, man müsse in eine andere Stadt fahren.
Lahdessa
bedeutet: in Lahti.
Lahteen
: nach Lahti. Bei dieser Sprache ist es für mich kein Wunder, dass der Finne Filme nicht synchronisiert. Er schaut alle Filme im Original, mit finnischen und schwedischen Untertiteln.
    Als mein Bruder damals nach Finnland abreiste, hatte ich ihm zum Abschied ein Wörterbuch gekauft. Den klassischen Langenscheidt wollte ich ihm schenken, Finnisch – Deutsch, Deutsch – Finnisch. Aus einem beginnenden Interesse an seiner neuen Lebenswelt hatte ich gleich einmal reingeblättert. Und staunte erst. Dann stutzte ich. Dann ließ ich meinen Kaffee kalt werden und ging zurück zur Buchhandlung.
    »Das ist ein Fehldruck«, sagte ich.
    Uli und Sylvia, meine Buchhändler, blätterten, lasen und sagten wie aus einem Mund: »Klar, natürlich ist das ein Fehldruck!«
    »Das geht zurück. Sofort«, ergänzte Sylvia.
    »Tut uns leid. Ehrlich«, sagte Uli.
    »Na, ihr könnt ja nichts dafür, dass die alle Wörter mit B und C ausgelassen haben.«
    Drei Tage später kam das Buch zurück mit Ulis Ansage: »Es ist alles in Ordnung mit dem Wörterbuch, das ist die Sprache. Der Finne hat praktisch keine Wörter mit B, C , F und G. Es gibt kaum welche. Nicht mal eine Seite jeweils.«
    So weit hatte ich in meinem ersten Schrecken gar nicht geblättert! Ich war nach C schon komplett erledigt. Ich dachte nur, man muss schon froh sein, dass sie nicht ganz auf diese Buchstaben verzichtet haben. Gerade das B –

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