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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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schleichend allerdings: Meine Eltern lassen sich versorgen und verwöhnen!
    Der Einstieg meinen Kochkünsten gegenüber verläuft zumindest von Hermanns Seite aus mehr als skeptisch. Er scheint um Sättigung und Wohlgeschmack zu fürchten, da nun nicht die geliebte Ehefrau, wie seit über 50  Jahren, seine Geschmacksknospen wie gewohnt befriedigt, sondern ich sie ungewohnt herausfordere.
    »Watt giftet denn?«, fragt Hermann am Abend.
    »Bohnen, Kartoffeln und Nudeln, mit Parmesan.«
    »Was? Für mich aber nicht!«
    »Worümme datt denn nich, Hermann?«
    »Dor is no nich mol Fleisk inne.« Da ist nicht mal Fleisch drin.
    Ich erinnere an unsere beiden Gäste. »Wir haben Axel und Viivi mit am Tisch, und Viivi ist Vegetarierin.«
    »Aber ich nicht.«
    »Du meinst, du fällst vom Stuhl, wenn es mal kein Fleisch gibt?«
    »Das soll schmecken? Nudeln und Kartoffeln zusammen? Du machst Sachen.«
    »Das ist aus Sizilien.«
    »Wi sind over in Finnland!«
    »Nu loat ürne doch moal moacken«, springt mir Ilse überraschend bei. Lass ihn doch mal machen.
    »Wenn ick nich so’n Hunger har.« Hermann ergibt sich in sein Schicksal.
     
    Wir sitzen vor dem Haus, ein Tisch, eine Bank, vier Stühle. Axel ist zurück. Wir warten auf Viivi, die jeden Augenblick von der Arbeit kommen muss.
    »Und wie gefällt es dir hier in Finnland?«, frage ich.
    »Super. Die Menschen sind klasse. Die Natur.«
    »Du und Natur? Du hattest doch immer nur deine Musik im Kopf.« Ilse ist erstaunt.
    »Du weißt so einiges nicht von mir«, sagt Axel.
    »Datt glöwe ick ok bole«, kommt es von Hermann.
    Ilse ist aber noch nicht fertig. »Dein ganzes Geld hast du für Platten ausgegeben.«
    »Hätte ich es lieber versaufen sollen?«
    »Sparen!«
    Manche Kommentare unserer Eltern sind zwangsläufig, Rituale wie ein Gebet in der Kirche. Und genauso ergeben muss man die über sich ergehen lassen, wenn man unnützen Ärger vermeiden will. Nicht jede Auseinandersetzung lohnt. Das habe ich lernen müssen und Axel genauso.
    Der Finne hat Mitleid mit uns und reißt uns aus unseren ostwestfälischen Liturgien. Ein Auto fährt vor und hält. Heraus springt ein kleiner, untersetzter Mann, nickt uns zu, öffnet wieselflink eine der Garagen, fährt den Wagen hinein und kommt zu uns. Er hat einen Eimer in der Hand. »Blaubeeren«, sagt Ilse sofort.
    Aapo nennt seinen Namen und zeigt auf sich. Er gibt jedem von uns die Hand, wir sagen unsere Namen, er nickt. Axel schlägt er freundlich auf die Schulter. Er will, dass wir seine frisch gepflückten Blaubeeren probieren. Ilse greift herzhaft zu. Aapo spricht genauso flink, wie er sich bewegt. Er wohnt unten links, ist quasi unser direkter Nachbar und lässt Axel kaum Zeit zum Übersetzen. Er erzählt vom Beerensuchen und gibt – nehme ich an – dazu gleich einen Abriss über die Stadtgeschichte Lahtis. Genauso schnell, wie er gekommen ist, rauscht er weiter in seine Wohnung. Wir bleiben, bis auf Ilse, die eifrig beflirtet worden ist, etwas sprachlos zurück.
    Hermann durchbricht nach ein paar Minuten die neuerliche Stille: »Ich dachte, der Finne sagt nicht viel.«
    »Nee«, sagt Axel. »Die Finnen reden sogar sehr viel untereinander. Und sie lachen jede Menge. Und wenn sie was sagen, dann meinen sie das auch. Aapo ist aber schon sehr extrem.«
    In diesem Moment kommt Viivi von der Arbeit, strahlt, umarmt Ilse, sagt mit fast russisch rollendem »R« liebevoll: »Ilsssä! Härrrmann!«, umarmt auch ihn, dann beugt sie sich zu meinen 1 , 66 hinab, auch sie ist etwa 1 , 80 , und setzt sich zu uns in die Sonne. Wir plaudern. Axel übersetzt für Viivi ins Englische und für Hermann und Ilse zurück ins Deutsche.
    Viivi ist eine schlanke, große Frau. Schwarzhaarig, jederzeit perfekt geschminkt, pechschwarze Haare, was den Teint noch etwas blasser macht. Viivi ist – natürlich – tätowiert. Eine echte Rock-’n’-Roll-Braut. Sie sieht phantastisch aus, und sie und Axel haben sich gesucht und gefunden. In Spanien. Ist ja klar. Wo soll man als deutscher Rockabilly- und Psychobilly-Fan denn sonst eine Finnin treffen? Beim Pineda Psychobilly Meeting in Pineda de Mar, 55  Kilometer nördlich von Barcelona, an der spanischen Küste.
    Es ist eine unglaublich berührende, eigentlich fast verrückte Liebesgeschichte zwischen den beiden. Die Finnin und der Ostwestfale fanden sich also in Spanien. Axel erzählt: »Grad spielten die ›Kings of Nuthin’‹ aus Boston. Eine meiner Lieblingsbands. Ein Freund von mir, Franzose,

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