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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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gibt es Wasserski-Versuche. Ganz unnützer Lärm, wie auch ich schnell finde. Mein kleines Boot schaukelt leicht auf den Wellen, die deren Außenborder verursacht. Dann liegt das Wasser wieder vollkommen ruhig, und die Wolken, die Bäume und ein paar vorübergleitende Vögel spiegeln sich auf der Oberfläche.
    Als ich von meinem Ausflug zurückkomme, wird am Tisch auf der Veranda über dem Päijänne gerade der Kuchen aufgetragen. Sagenhaft. Mit frisch gepflückten Blaubeeren vom Team Ilse und Kati. Auch hier gibt es einen kleinen Unterschied zu uns Deutschen. Der Finne schneidet den Kuchen nicht vor. Jeder nimmt sich selbst und entscheidet mit der Kante des Tortenhebers, wie groß sein Stück sein soll. Die Damen, Ilse, Kati und Viivi, sind natürlich weit bescheidener als wir vier Herren. Zum Glück!
    Wir reden über die Jugend und das Aufwachsen in Finnland. Die Finnen hatten schon in den Fünfzigern und Sechzigern Ganztagsschulen. Die Kinder blieben von 8 bis 15  Uhr, manchmal auch von 9 bis 16  Uhr in der Schule, auf jeden Fall aber über Mittag. Und es war Aufgabe der Mädchen, täglich die Kartoffeln für das Schulessen zu schälen. Kati erzählt, dass sich die Mädchen in der Frühstückspause beeilten, damit sie möglichst als Erste mit ihren Broten fertig waren, um dann für das Schälen der Kartoffeln zum Mittagessen die guten Schälmesser zu bekommen. Wer zu langsam war, musste sich mit stumpfen Messern quälen. Wir Ostwestfalen schütteln die Köpfe. Finnland sei doch das Land der Frauenemanzipation! Kati lacht: »Damals nicht.« Und die Jungs? Kati sagt: »Die durften spielen in der Zeit. Das Essen zu machen war eindeutig die Aufgabe der Mädchen.«
    Wir stellen fest, dass die Berufsausbildung in Finnland ganz anders organisiert ist als bei uns. Es gibt praktisch keine betriebliche Ausbildung, keine Lehrlinge in den Betrieben. Alle Berufe werden in Schulen gelernt und gelehrt.
    Und dann sind wir beim Nationalstolz der Finnen und der finnischen Flagge angelangt. Wir hatten unterwegs oft beflaggte Masten gesehen. Kein Wunder: Der Finne ist stolz auf sein Land und seine Geschichte und trägt dies unter anderem durch das häufige Beflaggen nach außen. Finnland gehörte lange Zeit zu Schweden und war dann Teil des russischen Zarenreichs. 1917 erst wurde Finnland unabhängig und bekam seine eigene Flagge. Ganz wichtig ist den Finnen die Feststellung, dass sie nicht am Zweiten Weltkrieg teilgenommen haben. Der Finne hat den »Winterkrieg« gegen die Sowjetunion geführt, 1939 / 40 , dann kam der Fortsetzungskrieg und dann der Lappland-Krieg gegen Deutschland. In der Folge verlor Finnland Karelien an die Sowjetunion, und viele Karelier flüchteten nach Finnland und brachten ihre Kultur mit, die orthodoxe Kirche, die Speisen.
    Zudem hat der Finne die schönste Flagge Europas, wenn nicht sogar der Welt, und er schaut sie gerne an, und darum wird sie oft gehisst. Die Fahne zeigt querliegend ein blaues Kreuz auf weißem Grund. Das Blau steht für das Wasser der Seen und Flüsse, das Weiß für die schneereichen Winter. Wir lernen, dass es offizielle Flaggentage gibt, an denen an öffentlichen Gebäuden geflaggt werden muss, zum Beispiel an
vappu
, dem 1 . Mai.
Vappu
ist quasi Weihnachten und Ostern auf einmal, ein Fest, das dafür gleich mehrere Tage lang zelebriert wird. Spätestens am Vorabend beginnen die Feierlichkeiten.
Vappu
verbindet den Tag der Arbeit, wie man ihn auch aus anderen Ländern kennt, mit dem Fest des Frühlings und dem Fest der Studenten. Alle ehemaligen Abiturienten tragen an diesem Tag noch mal ihre weißen Abitursmützen. Die Vertreter der Parteien halten große, politische Reden. Das ganze Land feiert wie das Rheinland den Karneval.
    Geflaggt wird auch am Tag der finnischen Flagge, an Wahltagen und am Tag, an dem der Präsident ins Amt eingeführt wird. Außerdem gibt es sogenannte »eingebürgerte« Flaggentage wie den 19 . März, den
Minna Canthin päivä
, den Minna-Canth-Tag, als Tag der Gleichberechtigung. Minna Canth war eine finnische Schriftstellerin und eine der ersten Frauenrechtlerinnen. Oder den 10 . Oktober, den Aleksis-Kivi-Tag, den Tag der finnischen Literatur, nach dem Schriftsteller Aleksis Kivi, dem Verfasser des Nationalepos »Die sieben Brüder«, benannt. Der 6 . November ist Tag der schwedischen Kultur, und der zweite Sonntag im November ist Vatertag, und am Muttertag, am zweiten Sonntag im Mai, wird die Flagge natürlich auch gehisst. Genauso am 8 . Dezember,

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