Finne dich selbst!
auf den Tischen, sind die Männer allein am Stand, wird die Ware einfach auf das nackte Holz gelegt. Einige verkaufen aus Anhängern oder von den Heckklappen ihrer Autos herunter: Milchkannen, Ofentüren, Schlittschuhe. Einer hat aus Lampenfüßen kleine Holzmühlen gebastelt.
Stunden später verlassen wir das Gelände. Uns kommt ein älterer Herr mit Rollator entgegen, einem finnischen Modell. Er sieht aus wie zwei nebeneinander montierte Tretroller. Als die Straße in der nächsten Kurve leicht abfällt, sehen wir, wie er sich lässig auf die Trittbretter stellt und um die Kurve rollt.
»Datt wür watt vo die! So scheiwe wie gu gahst«, sagt Ilse. Das wär was für dich. So schief wie du gehst.
»Aber nur bergab«, sagt Hermann knapp.
Wir halten an der Schleuse. Nur wenige Meter vom Kanal entfernt fließt ein Bach. Wir stehen lange auf der Brücke und beobachten einen Haubentaucher, wie er in den Strudeln und kleinen Stromschnellen schwimmt und immer wieder erfolgreich nach Fischen taucht und jagt.
Versonnen schauen wir ins spiegelnde Wasser. Kati erzählt von ihrer Kindheit und Jugend in Lappland und wie naturverbunden sie mit allen möglichen Tieren aufgewachsen ist. Kleineren wie den zahlreichen Vögeln und auch großen.
»Das könnt ihr euch gar nicht vorstellen«, sagt Matti, »dauernd kreuzen Rentiere die Straßen. Bei euch in Deutschland sind alle Tiere eingezäunt, die Kühe und Pferde. Aber bei uns im Norden grasen die Rentiere frei, und du musst dauernd aufpassen, dass dir nicht eins vor das Auto läuft.«
Ilse sagt: »Bernd hat auch schon mal einen Hirsch angefahren. Und statt dass er ihn einfach in den Wagen wirft, lässt er das Tier laufen und kommt nur mit dem Wagen mit dem kaputten Kühlergrill nach Hause!«
»In Finnland enden viele Unfälle tödlich. Wenn du mit einem Elch zusammentriffst, überlebt manches Mal eher der Elch. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie riesig die sind. Kein Vergleich zu Rentieren. Wenn dir so ein Elch aufs Auto knallt, erdrückt der oft die Insassen allein durch sein pures Gewicht und die Wucht des Aufpralls. Wenn ihr unterwegs seid, solltet ihr euch deshalb schon an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten«, meint Matti.
»Und Rentiere gibt es hier keine?«, fragt Hermann.
»Nein, erst weiter nördlich. Aber dort jede Menge.«
»Schade. Aber die Elche?«
»Elche gibt es.«
»Wer’s glaubt!«, schnauft Ilse.
»Ich kann dir beim
mökki
einen Elchfladen zeigen, Ilse.«
»Ich würde lieber das Tier sehen als den Mist, den sie machen!«
»Ist wirklich guter Dünger«, grinst Matti. »In der Nähe vom
mökki
ist eine Quelle, zu der kommen sie manchmal und trinken. Aber dieses Jahr habe ich noch keinen gesehen.«
»De hebt Angst vo di, Ilse!«
»Vo mi bruket de keine Angst to hem. De ruket di, und dorümme kurmt de nich. Häst du die wosken vondoage?« Vor mir brauchen die keine Angst zu haben. Die riechen dich und darum kommen die nicht. Hast du dich heute überhaupt gewaschen?
Matti und Kati schauen fragend.
Ich sage: »Axel, übersetz das mal besser nicht!«
Auf der Rückfahrt sehen wir etliche Schilder am Wegesrand, auf denen eine Ähre abgebildet ist. »Das sind Hinweise auf einen Hofverkauf«, erklärt Matti. Dort kann man landwirtschaftliche Produkte bekommen, direkt vom Erzeuger. Also nichts wie hin!
Wir finden ein kleines Paradies. Eine ehemalige Scheune, an einem kleinen Hang gelegen, ist umgebaut, unten zu zwei Verkaufsräumen, oben zu einem gemütlichen Café mit Kirschgarten davor. Es gibt Erdbeerwein, Erdbeersekt und Erdbeerlimonade,
limonaadi
. Und das gleiche Sortiment auch aus Johannisbeeren, aber auch aus Moltebeeren.
Viini pikamaa
. Es gibt junge Kartoffeln zu kaufen, Erdbeeren, natürlich wieder alles in Litergefäßen, Getreide, Mehl, selbstgemachte Seifen und frischgebackenen Kuchen, dazu alle möglichen Sorten Lakritz.
Als wir zum
mökki
zurückkommen, schwimmen zwei kanadische Gänse um den Steg. Herrliche Idylle. Ich nehme das Boot und rudere hinaus. Allein. In die Stille. Fahre zu kleinen Inseln und am schilfbestandenen Ufer entlang. An Land sieht man immer wieder mal ein einsames
mökki
. Man hält Abstand. Man hat viel Platz für jederzeit genügend Distanz zueinander. Nur eines stört die Geräuschlosigkeit: Am gegenüberliegenden Ufer, wo sich kürzlich ein Russe eingekauft haben soll, startet ständig ein Motorboot und zerschneidet immer wieder die sonst regelrecht meditative Ruhe. Mal fährt das Boot zum Angeln, mal
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