Finne dich selbst!
seit 2011 der
Jean Sibeliuksen päivä
, der Jean-Sibelius-Tag, der Tag der finnischen Musik. An die Kämpfer der Kriegsjahre erinnert der Veteranentag, ein weiterer Flaggentag. Tausende von Menschen marschieren an diesem Tag zu den Soldatenfriedhöfen und setzen auch dazu ihre weißen Mützen auf, die sie zum Abitur bekommen haben. Finnland ist dann nicht nur voller Flaggen, sondern auch voller Mützen. Für ein Land voller Individualisten ist so viel Uniformität erstaunlich.
Grundsätzlich hat jeder Finne das Recht, die Landesflagge zu hissen. Ständig, wann immer er will. Ganz ohne Angabe von Gründen. Man sieht daher vor vielen Häusern Flaggenmasten stehen. Wo der Deutsche seine Flagge höchstens zu Fußballweltmeisterschaften ans Auto montiert, weht es hier überall und ständig blau-weiß.
Am Abend sitzen wir wieder um den großen Tisch auf der Veranda. Ich lerne ein paar »schmutzige Wörter«:
ripuli
ist Durchfall,
krapula
ist der Kater nach reichlich Alkoholgenuss und
percelae
ein Fluch und bedeutet so viel wie »Teufel auch!«.
Seksipommi
heißt Sexbombe – und ich weiß wirklich nicht mehr, in welchem Zusammenhang wir auf dieses Wort gekommen sind … Dazu lerne ich
hyvää yötä
für »gute Nacht« und
nuku hyvin
, »schlaf gut«.
Ich tippe eine SMS an Isabel: »
Nuku hyvin, seksipommi.
«
Sie schreibt augenblicklich zurück. »Hat das was mit sechs Pommes zu tun?«
Sauna bei Sonnenuntergang
Wenn man einen Finnen sucht und nicht findet, dann wird er sicher in der Sauna sein. Die Sauna ist dem Finnen alles: Wohnstube, Kontor und Waschküche, Entbindungsstation und Ruhezone. Ganze Familien gehen miteinander hinein oder einzelne Paare. In der Sauna werden aber auch Geschäftsabschlüsse getätigt und politische Diskussionen geführt. In dieser entspannten Atmosphäre findet sogar hohe Diplomatie statt.
Die Sauna ist früher ein Mischraum zwischen Wohn- und Badezimmer gewesen. Sie war oft der einzige Raum des Hauses mit warmem Wasser, hier war es quasi »steril«, zumindest sehr sauber. Hier wurden die Kinder geboren, und hier bahrte man die Toten auf. Hier wurde gewaschen und geräuchert.
Der Finne ist ein manischer Schwitzer, und darum ist ihm die Sauna die Kathedrale des Lebens. Der Altar der Seele. Sauna ist für den Finnen so wichtig wie für uns das Zähneputzen oder Blutdruckmessen. Der Finne könnte auf alles verzichten, sogar auf Frau und Fusel, aber nicht auf seine Sauna. Bevor der Finne um eine Frau wirbt, muss er eine Sauna bauen. Ohne eine gebaut zu haben, hat der Finne keine Chance, erhört zu werden. Der Bau einer Sauna ist quasi der Balzakt des finnischen Männchens und geht doch weit darüber hinaus. Denn er baut sogar Saunen, ohne sich paaren zu wollen.
Nach dem Essen soll heute die Sauna angeheizt werden. Matti bereitet alles vor. Die Sauna heißt auch im Finnischen
sauna
. Mit stimmlosem »S«.
»Ick go dor over nich rin«, sagt Ilse.
»Ick ok nich«, ergänzt Hermann.
Axel übersetzt. Eigentlich gilt es fast als unhöflich, eine Einladung zum Saunabesuch abzulehnen. Aber Axel hatte unsere Finnen auf dieses »Nein« vorbereitet. Trotzdem fragen sie freundlich nach.
»Warum nicht, Ilse?«
»In so eine Hitze? Das ist nichts für mich. Und nachher ist die ganze Frisur im Eimer!«
»Eben«, sagt Hermann.
Ilse schaut ihn von der Seite an: »An der Frisur kann es bei dir aber nicht liegen.« Und dann beschließt sie alle weiteren Diskussionen mit dem Ostwestfälischen: »Ach, und überhaupt!«
Das ist ein Argument, dem sich weder deutsche Kinder noch finnische Gastgeber in den Weg stellen wollen.
»Und du, Hermann?«, fragt Matti noch mal mit letzter Hoffnung.
»Ich mache nichts ohne meine Frau«, sagt er verschmitzt.
»Auf einmal!«, wundert sich Ilse. »Aber wenn es da drin was zu trinken gäbe, wär er garantiert dabei!«
Axel grinst: »Natürlich nimmt man sich ein Bier mit.«
Hermann bleibt entschlossen: »Trotzdem nein danke. Ich habe in meinem Leben schon genug geschwitzt.«
»Bernd? Was ist mit dir?«, fragt Matti.
»Ich freu mich! Und es ist ja schließlich bei mir im Haus.«
Wenn man vor meinem Sauna-
mökki
steht, ist hinter der linken Tür die Sauna, hinter der rechten schlafe ich.
Nun bin ich gespannt auf die »Regularien«. Es gibt im Grunde keine, außer der Reihenfolge. Erst sind Matti und Kati dran, dann Axel und Viivi, dann ich. Aha, man geht also doch nicht mit allen gemeinsam? Nein, man lässt sich jeweils die Privatsphäre. Natürlich
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