Finne dich selbst!
Zahnpasta und den MP 3 -Player, aber nicht die Sauna. Der Türke hat sich immerhin das Hamam ausgedacht. Demgegenüber sieht der Deutsche echt alt aus! Wir haben Disziplin und Tatkraft und Fleiß und Erfindungskraft, und wir sind eine Turniermannschaft, aber was das körperliche Wohlbefinden betrifft, da haben wir es seit germanischen Zeiten versäumt und verschlafen, uns Schönes zu erfinden. Ruheräume. Verwöhnoasen. Das gibt es in Deutschland nicht. Wellness und Spa mussten importiert werden. Auch die exzessive Nudisten-Szene der ehemaligen DDR wiegt das nicht auf!
Der Saunageist holt mich aus meinen Gedanken. Pokpok. Pok. Pokpokpokpokpok. Die untergegangene Sonne färbt den Abendhimmel tiefrot. Ich lausche dem Saunageist und lasse das Holz herunterbrennen. Am Ende mische ich mir wieder eine Wanne mit ideal temperiertem Wasser, übergieße mich kellenweise, wasche mich und fülle den Wasserbehälter am Saunaofen wieder auf. Ich nehme einen tiefen Schluck aus meiner Bierdose und fühle mich absolut finnisch.
»Wie war es?«, will Matti wissen.
»Klasse! Ich bin so was von tiefenentspannt.«
»Und der Saunageist?«
»Hat mit mir geredet.«
»Das ist ungewöhnlich beim ersten Mal. Was hat er gesagt?«
»War persönlich. Kann ich schlecht drüber sprechen.«
Die Sauna ist wohl der Ort, der die meisten Geheimnisse kennt. In Lahtis Programmkino Iiris in der Saimaankatu läuft in einer Nachmittagsvorstellung ein Film über Männer in der Sauna, den ich erst Monate später in Deutschland in der DVD -Version mit Untertiteln richtig verstehe.
Miesten vuoro
, »Der Dampf des Lebens«. Finnlands erster Dokumentarfilm, der in die Auswahl zum Oscar um den besten fremdsprachigen Film kam. Die Regisseure filmten in Saunen, und dort zeigten diese sonst so verschlossenen Männer plötzlich ihre Seelen und damit die Seele Finnlands. Nebenbei ist auch dieser Film unfassbar bizarr und zeigt Saunen im Auto, im Wohnwagen, sogar in einer Telefonzelle. Der Finne heizt alles, was die Wärme eine Zeitlang halten kann. Mich wundert, dass er noch kein Dixi-Klo umfunktioniert hat, aber vielleicht weiß ich das auch nur noch nicht.
Aber der Finne benutzt die Sauna nicht nur zum Entspannen, sondern auch als Wettkampfstätte. Die Finnen sind ohnehin die Ausrichter einiger höchst skurriler Weltmeisterschaften, und der populärste dieser seltsamen Wettbewerbe, der mit der weltweit auch größten Resonanz, ist zweifelsohne die Sauna-Weltmeisterschaft in Heinola, nahe bei Lahti. Rund um den Globus wurde berichtet, und die Teilnehmer stammten aus aller Welt. Gewinner, bei den Herren zumindest, waren bislang noch immer Finnen. Da lässt sich der Finne nicht vom Rest der Welt die Butter vom Brot nehmen.
Samuel, der Finne aus Wien, erzählt Axel und mir davon und dass er selber schon zweimal an der Saunaweltmeisterschaft teilgenommen hat. Ein Riesenspaß. Gehört hatten wir davon. Und wie funktioniert das? Sauna-Weltmeisterschaft?
»Wer es am längsten aushält, hat gewonnen.«
»Ja, schon klar, aber wie wird der Sieger ermittelt?«
Und dann erzählt Samuel von Heinola, einer Mischung aus riesigem Volksfest, einer Gaudi, einem echten Event und einem großen Vergnügen. Mehrere tausend Zuschauer kommen. Auf einer Bühne werden zwei Saunen aufgebaut. In den Saunen sind Kameras installiert. Die Bilder werden auf große Leinwände übertragen. Es gibt Live-Kommentare, TV -Berichte, Live-Schaltungen. Wer aufgibt und rausgeht, wird genauso frenetisch beklatscht, wie jeweils die Sieger Applaus erhalten. Von den beiden Saunen wird immer eine benutzt, die andere in der Zeit gelüftet und wieder auf Temperatur gebracht.
»Welche Temperatur?«
» 110 Grad.«
»Was?!«
» 110 !«
Axel und ich starren Samuel an. Wir fragen abwechselnd wie ein eingespieltes Moderatorenpaar.
»Und dann?«
»Alle 30 Sekunden ein Aufguss.«
»Nee!«
»Doch! Du gehst rein, in den Vorausscheidungsrunden, mit sechs Mann, die letzten zwei kommen weiter. Du gehst rein, und sofort kommt der erste Aufguss. Dann alle 30 Sekunden.«
»Hammer. Und wie lange bist du dringeblieben?«
»Im ersten Jahr 12 Minuten.«
»Und der Sieger?«
»Etwas über 16 .«
»Dann warst du aber nah dran.«
»Nee, so nah nicht. In der Vorrunde war ich mit drei Finnen, einem Chinesen und einem Esten drin. Der Chinese ging als Erster, und dann saß ich am Ende mit zwei Finnen in der Sauna. Ich galt als erster und einziger Österreicher bei der WM . Und die Finnen wollten nicht gegen
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