Finne dich selbst!
saunen manchmal die Männer gemeinsam, dann die Frauen. Aber so, im Familiären, lassen sich alle gegenseitig Raum.
Während Matti den Ofen anheizt, gehe ich mit Viivi in den Wald. »Ganz wichtig!«, hat sie gesagt. Sie gibt mir ein Finnenmesser in die Hand.
»Was tun wir?«
»Birkenbüschel schneiden.«
»Wofür?«
»Für die Sauna!«
Mit dem Finnenmesser schneiden wir junge Birkenzweige und binden sie zu einem Büschel zusammen, während wir uns heldenhaft gegen die Mücken verteidigen, die die Birkenzweige verteidigen.
Viivi sagt: »So ein Birkenbüschel heißt
vihta
.« Ausgesprochen »wichta«.
Ich schneide, schaue mir das alles genau bei Viivi ab und versuche, diesen »Birkenstrauß« am unteren Ende mit einem weiteren dünnen Zweig zu verknoten. »Und wofür ist das jetzt genau? Was muss ich damit machen?«
Sie sieht mich ein paar Sekunden verständnislos an, bis ihre Lippen sich grinsend in die Breite ziehen und sie in wunderbarstem Englisch artikuliert: »It’s to spank you!« »Um dich zu schlagen!«
»Was?!?«
»Das entspannt die Muskeln, das regt den Kreislauf an.«
In der Sauna übergießt man diese Zweige erst mit heißem Wasser, dann schlägt man sie sich auf Arme, Beine und Rücken. Und das tut gut.
Hyvä
, wie meine Schwägerin sagt. Gut.
Melko hyvä
. Ziemlich gut!
In Deutschland hängt in jeder Sauna eine Tafel mit den »Saunaregeln«. Das ist für den Finnen jenseits alles Vorstellbaren. Es gibt keine Regeln. Man geht hinein, solange man will, dann schwitzt man, dann geht man raus, kühlt sich ab, am besten im normalerweise direkt daneben liegenden See oder im Schnee, dann geht man wieder rein. Und das sooft man mag.
Unsere Finnen starten nun, dann folgt das deutsch-finnische Doppel mit Viivi und Axel. Hermann, Ilse und ich sitzen oberhalb des Sees und genießen den Ausblick. Dann bin ich an der Reihe und bekomme von Matti vorher noch eine kleine Einführung:
Hier am
mökki
ist die Sauna auch unsere Dusche. Was mir zuerst noch gar nicht bewusst ist: alles Wasser dafür holt Matti vorher Eimer für Eimer aus dem See und befüllt damit kleine Wannen und den am Saunaofen seitlich befestigten Wasserbehälter. Im Ofen brennt das Holzfeuer und erhitzt die daraufliegenden Steine und das Wasser. Das Wasser ist sehr heiß, und ich soll darauf achten, dass dieser Behälter immer bis zum Rand gefüllt ist. In einer großen Wanne steht das kalte Seewasser bereit. In einer zweiten, kleineren Wanne mischt man sich mit einer Kelle dann aus dem heißen und kalten Wasser die gewünschte Temperatur, um sich damit zu waschen oder den Schweiß abzuspülen.
Matti gibt mir eine Sitzauflage. »Achte auf den Saunageist, vielleicht spricht er mit dir. Und vergiss nicht, dir nebenan Bier aus dem Kühlschrank zu nehmen.«
Dann bin ich allein. Das Feuer prasselt. Der Raum ist angenehm warm. Ich mische mir Wasser, fülle den Behälter am Ofen auf, übergieße mich. Durch eine Bodenrinne läuft das Wasser ab. Ich nehme heißes Wasser vom Saunaofen und übergieße mein Birkenbüschel. Es riecht wunderbar. Ich setze mich. Ich schaue rechts aus dem Fenster und möchte malen können. Zwischen den Zweigen sehe ich auf den Päijänne. Es dämmert leicht, und die Sonnenkugel nähert sich langsam der Wasseroberfläche. Ich beginne zu schwitzen. Ich greife zum
vihta
und versuche mich zu schlagen. Ich will ein Finne sein! Ich denke an die Selbstgeißelungsszene in »Der Name der Rose«. Falscher Vergleich. Hier ist es schön! Der Schweiß rinnt. Draußen sinkt die Sonne. Ich gehe nach nebenan und hole mir ein Bier aus dem Kühlschrank. Ich lege Holz nach. Ich schaue wieder aus dem Fenster. Ich mache einen Aufguss.
Löyly
auf Finnisch. Dann ein Geräusch: Pok. Pokpok. Pok. Pokpokpokpokpokpokpokpok. Der Saunageist. Ich sitze auf dem Holz, in der Wärme, schlage mich von Zeit zu Zeit mit dem
vihta
und höre dem Saunageist zu.
Dann gehe ich mich abkühlen. Im See. Ich will reinspringen. Aber die Wasseroberfläche liegt jetzt in einem dämmerigen Dunkel, und meine Phantasie spielt mir Streiche. Ich gehe doch nur vom Rand aus rein, tauche vorsichtig und schnell unter und genieße die Kühle um mich herum, die über meinem Kopf zusammenschlägt, mache zwei, drei Schwimmzüge und rette mich dann vor riesenhaften Hechten und Wasserelfen, Nixen, Fischfrauen und
peikkos
an das Ufer.
Dann gehe ich zurück in die Sauna. Mit einem neuen Bier. Und frage mich, warum der Deutsche den Fischer-Dübel erfunden hat, die Filtertüte, die
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