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Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen

Titel: Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Eilenberger
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krieche.
    Mummi nickt. Manche Sätze verstehen sich von selbst.
    Es gäbe viel zu erzählen - in meiner Kultur.
    » Se oli oikein hyvä puhe , Aulis«, sage ich. Eine tolle Rede hat er gehalten, wirklich wahr.
    »Juu, kiitos.«
    In mittelfinnischer Hobbit-Tracht stand er mit seinem kleinen Notizzettel auf der Empore, stolz und aufrecht, ein feines Grinsen im Gesicht. Es sei eine alte Erkenntnis, setzte er an, dass die Tochter ihren Ehemann nach dem Vorbild des Vaters wähle. Er habe seinen deutschen Schwiegersohn nun sieben Jahre lang genau beobachtet, bislang allerdings keinerlei Gemeinsamkeiten ausmachen können.
    Das war natürlich der Brüller. Und dann das Ende, für das er eine weitere Spruchweisheit einflocht, nämlich die, dass ein Mann, der eine gute Frau eheliche, in der Regel einen Beruf der Tat ergreife, also zum Beispiel Arzt oder Ingenieur werde, bei einer schlechten Frau hingegen als Philosoph ende. Er wisse nun nicht, inwieweit diese Erkenntnis auch auf den vorliegenden Fall zutreffe, habe aber mit den Jahren begriffen, nicht alles verstehen zu können, weshalb er dem Brautpaar vor allem Glück wünsche. Wurde alles simultan ins Deutsche übersetzt, von Jochen, dem Gatten von Pias Kindergartenfreundin Venla.

    Auf dem Abiturfest der Deutschen Schule von Helsinki hatte es zwischen Jochen und Venla vor mehr als zehn Jahren gefunkt. Die Deutsche Schule Helsinki wäre auch für unsere Kinder etwas. Es ist durchaus beeindruckend, mit welcher Überzeugungskraft eine Festgemeinschaft geschlossen vorgeben kann, von einer kleinen Nachricht freudig überrascht zu werden. Dass es Zwillinge werden, hat meine Ehefrau allerdings nicht verkündet. Es sei immer gut, noch etwas in der Hinterhand zu halten, bleibt sie als Finnin überzeugt.
    Die Stimmung war also schon recht ausgelassen, als die Meinen auf die Empore stiegen. Zu viert, mit Hawaii-Hemden, Federboas und blumenförmigen Sonnenbrillen. Schon lief die Musik an. Um jegliche Sprachkonfusionen zu unterlaufen, hatte der Familienrat sich als Festbeitrag auf eine Abba-Medley-Show festgelegt. Vollplayback. Mein Vater war Benni. Robert Björn. Irgendjemand muss ihnen im Vorfeld gesteckt haben, wie sehr es die Finnen schätzen, wenn man freiwillig und mit aller Konsequenz einen Arsch von sich selbst macht.
    Virpi stand als Erste auf ihrer Bierbank, Dr. Dr. Minderer fest an sich gedrückt. Bald tobte die Scheune. Erst I Have a Dream , dann Gimme gimme gimme , schließlich Take a Chance on Me .
    Schweden ist doch zu etwas gut.

AUF DEM TEPPICH
    W ir biegen von Paippinen rechts ab auf die E 75 in Richtung Joutsa, ein dreispuriges Autobahnteilstück, das breiteste im ganzen Land, da es für Inlandsflüge auch als Notlandeplatz taugen soll. Hohe Elchzäune aus breitem Maschendraht säumen die Leitplanken, hinter Fichtenhainen ragt der örtliche Wasserturm hervor, sein futuristischer Aufsatz von der Form eines Ufos.
    Mike hatte während der Feier am Ausländertisch wieder ernsthaft die These vertreten, bei den Finnen handle es sich in Wahrheit um Außerirdische, jedenfalls sei das die plausibelste Erklärung für die Existenz dieses Volkes, und die omnipräsenten Wassertürme seien Startrampen, von denen sie eines schönen Tages wieder zurück zu ihrem fernen Heimatplaneten fliegen wollten, woraufhin Francisco seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, sie möchten für diesen Fall die Basken doch bitte gleich mitnehmen.
    Es war ein schönes Fest. »War es doch, oder?«
    »War es«, bestätigt meine Ehefrau und reicht mir eine 1,5-Liter-Flasche lauwarme finnische Orangenlimonade. Jaffa , das weltbeste Mittel gegen krapula .

    Vorsichtig. Nur ein Schlückchen. Und noch eins. Gut. Lieben, trinken, hoffen.
    »Schöne, hat Tarmo später eigentlich noch Fotos gemacht?«
    »Ein bisschen.«
    Cousin Tarmo, den sie alle nur den »Blitz aus Häme« nennen. Häme ist die westliche Nachbarprovinz. Der dortige Menschenschlag gilt unter Finnen als besonders langsam und bedächtig. Tarmo schreibt schon dreiundzwanzig Freisemester an seiner Magisterarbeit in Vergleichender Literaturwissenschaft. Sein Thema lautet: » Was ist ein Autor?«
    Vor Jahren hat er mir die Fragestellung einmal ausführlich erklärt, als wir, seine Freundin Cita war damals auch schon dabei, als fröhliche Wanderpärchen in sieben Tagen den Bärenweg, karhunkierros , bezwangen. Über Jahrtausende habe ja kaum jemand nach dem Urheber einer Geschichte gefragt, erläuterte Tarmo, erzählenswert musste das Gesagte erscheinen,

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