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Finnischer Tango - Roman

Finnischer Tango - Roman

Titel: Finnischer Tango - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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lauwarm anfühlte, obwohl es draußen fast zwanzig Grad minus waren.
    »Die Polizei hat doch in Sankt Petersburg einen Verbindungsmann«, fiel Riitta Kuurma ein. »Könnte der nicht Hytölä in die Mangel nehmen?«
    »Ein guter Vorschlag. Und dieser Nachbar von Eeva Hallamaa, Veikko Saari, ist immer noch verschwunden, auch diese Angelegenheit müsste von jemandem durchstöbert werden. Ich kann Kontakt zu dem Mann aufnehmen«, sagte Ratamo und merkte zu spät, was ihm da herausgerutscht war.
    »Du beschäftigst dich von jetzt an nur noch mit Papierkram, wenn nichts anderes befohlen wird. Das ist kein Spaß. Man muß die Juristen fragen, was mit dir geschehen soll«, erwiderte Palosuo in strengem Ton und packte schon ihre Unterlagen zusammen. Die Besprechung schien beendet zu sein.
    Ratamo und Wrede blieben als letzte in dem Raum. Palosuos Worte klangen Ratamo noch in den Ohren. Hatte er durch seine Blödheit jetzt etwa seine Arbeit bei der SUPO verloren? Was zum Teufel sollte er tun, wenn man ihn hinauswarf? Dann fiel ihm etwas ein. Hatte nicht Wrede bei der Weihnachtsfeier angedeutet, dass auch Palosuo und Liimatta irgendwie in der Klemme steckten?
    »Du hast übrigens gestern gesagt, dass du etwas von der Chefin weißt und von …«
    »Wir reden morgen darüber.« Der Schotte stand auf und sah so aus, als wäre aus seinem Magen etwas auf dem Weg nach oben, was niemand sehen wollte.
36
    Adil wirkte ganz ruhig, sah aber noch schmächtiger aus als sonst. Er saß mit hängenden Schultern mitten in dem Büro, das er in ein Gefängnis verwandelt hatte, und betrachtetedie an die einzige weiße Wand des Raumes projizierten Fotos des Gefangenenlagers Camp Bucca. In dem Versteck auf dem Industriegelände von Roihupelto fand die Generalprobe statt, das Publikum war Turan Zana. Die ganze Show wollte Adil dem Kurden allerdings nicht zeigen: Die Geräuschkulisse und der Hauptdarsteller fehlten. Die Zeit für das Recht war noch nicht gekommen.
    »Du hast wahrscheinlich die gleichen Gräuel in der Türkei erlebt?«, fragte Adil.
    »Diese Bilder könnten genausogut aus dem Gefängnis von Mardin stammen.« Turan Zana verfolgte mit großem Interesse die Fotos, sie zeigten Szenen, eine abartiger als die andere: Eine Frau, die mit der Schlinge um den Hals auf einem Hocker stand und hin und her schwankte, ein gefesselter Mann, dessen Fußsohlen mit Holzstöcken geschlagen wurden … »Man hat dich wie ein Tier behandelt, Sayyid«, sagte er.
    Adil war nahe daran, den Kurden anzufahren, weil er den Begriff »Sayyid« benutzte, doch da tauchte urplötzlich an der Wand das Bild eines schnurrbärtigen und knüppelschwingenden Mannes aus einem westlichen Land auf, der Zivilkleidung trug.
    »CDF.« Adil sprach den Namen des britischen Unternehmens wie ein Schimpfwort aus. Die USA und Großbritannien hatten im Irak die Dienste privater Unternehmen nicht nur für militärische und Sicherheitszwecke, sondern auch für Verhöre von Gefangenen genutzt. Adil erinnerte sich nur zu gut an das Gesicht des CDF-Mitarbeiters, den er am meisten verabscheute. Der Mann, der Verhöre durchführte, hatte jedes einzelne Körperhaar eines Gefangenen abrasiert und ihn dann gezwungen, Frauenunterwäsche mit Korsett und allem Zubehör anzuziehen.
    Ihm selbst hatte man noch etwas viel Schlimmeres angetan. Adil rutschte betreten auf dem Hocker hin und her,und sein Blick fiel auf die Flügel des Ventilators, den er vorhin mit Bolzen an der Decke befestigt hatte. In diesem Augenblick tauchten die Bilder aus den Tiefen des Gedächtnisses auf und rollten mit solcher Wucht über ihn hinweg, dass er die Augen schließen und seine ganze Willenskraft aufbieten musste, um Herr seiner Empfindungen zu bleiben. Er hoffte, dass seine Folterer die härteste aller möglichen Strafen erhalten würden, auch bei ihm hatte das Verständnis schließlich seine Grenzen. Aber das war vermutlich ein vergeblicher Wunsch: Nur wenige ausländische Zivilisten hatten sich für ihre Verbrechen im Irak verantworten müssen.
    »Hast du die Erlebnisse in Mardin jemals überwunden?«, fragte Adil, obwohl er die Antwort kannte.
    »Die Wunden eines jungen Mannes verheilen schnell. Und du? Was hat man dir in Camp Bucca angetan?«
    Zanas Telefon klingelte genau im richtigen Moment. Adil schaltete den Multimediaprojektor aus, und die Schreckensbilder verschwanden von der Wand. Er hatte in seinem Körper schon Zeichen dafür bemerkt, dass er in Rage geriet: Das Blut strömte in die Hände, damit es leichter

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