Finnischer Tango - Roman
hinterlassen. Das Lustigste daran war, dass Arvo Hallamaa nur angerufen hatte, um mitzuteilen, dass er die Seriennummer der Luger erst am Abend durchgeben könne, weil der Waffenschein im Ferienhaus liege. Ratamos Tag hatte wahrlich nicht gut angefangen, der Kopf tat ihm weh, obwohl es ihm schließlich doch mit Hilfe von drei Tabletten gelungen war, noch ein paar Stunden zu schlafen. Zum Glück war er wenigstens klug genug gewesen, das »Manala« noch zu einer vernünftigen Zeit zu verlassen. Im Gegensatz zum Schotten.
In den Augen Wredes war kein Weiß zu erkennen, seine Lider hingen herab, die Tränensäcke waren geschwollen, sein Gesicht sah aus wie in Frischhaltefolie gewickelt, und seine Hände zitterten. Der Leiter des Operativen Bereichs machte so einen leidenden Eindruck, dass niemand Lust hatte, ihn zu frozzeln. »Können wir nicht zur Sache übergehen,dann kommt man irgendwann wieder … hier raus. Schließlich müssten auch wir heute einen freien Tag haben, so wie die normalen Menschen«, sagte der Schotte zu Palosuo, und es gelang ihm sogar – ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten – ein fast freundlicher Tonfall.
Palosuo sah immer noch wütend aus, gab aber schließlich Riitta Kuurma ein Zeichen anzufangen.
»Der MI 5 bittet uns bei diesen Ermittlungen im Fall Arbamow-Takfir um Hilfe … oder schlägt eine Zusammenarbeit vor«, berichtete Riitta Kuurma stolz. »Der Fall ist in England an das JTAC übergeben worden.«
»Was ist das?«, fragte Palosuo und warf dem gähnenden Wrede einen bösen Blick zu, der verriet, dass sie selbst die kleinste Stichelei nicht mehr dulden würde.
Kuurma erläuterte ihren Kollegen, das Joint Terrorism and Analysis Centre ( JTAC) analysiere und beurteile die nachrichtendienstlichen Informationen über den internationalen Terrorismus und fertige Berichte über die Bedrohungen an, die Großbritannien betrafen. In der Einrichtung arbeiteten Polizisten, Ermittler, Analytiker und Forscher aus elf staatlichen Einrichtungen und Instituten.
»Zur Sache«, sagte Wrede leise und hob die Flasche mit Mineralwasser an seine Lippen wie den Heiligen Gral.
»Laut Melissa hat die PKK also das afghanische Heroin der Organisation Takfir wal Hijra zu Arbamows Männern nach Sankt Petersburg geschmuggelt«, fuhr Riitta Kuurma fort. »Das Interessanteste ist aber, dass sich drei der Kurden, die an dieser Operation teilnahmen, derzeit in Helsinki befinden. Die Namen der Männer kennt man nicht, aber ich habe gestern Abend die Namen aller Kurden, die sich derzeit in Finnland aufhalten, dem türkischen Nachrichtendienst geschickt und werde in Kürze auch unsere Kontaktleute nach den Männern fragen. Vielleicht weiß irgendjemand etwas«, sagte Riitta Kuurma zum Schluss ihrer Zusammenfassung.
Ulla Palosuo schien Zweifel zu haben. »Die Kurden schmuggeln Heroin?«
Riitta Kuurma suchte ein Blatt in ihrem Stapel. »Es sieht so aus, als wäre das nichts Neues. Laut Interpol hat die PKK in den neunziger Jahren die Verteilung fast aller harten Drogen von Asien nach Europa geleitet. Und die PKK ist überall in Europa aktiv: in der Türkei, in Holland, Tschechien, Frankreich, Italien, Großbritannien, Belgien, in der Schweiz … diese Liste ist ja endlos. Die Kurden haben wahrscheinlich Tausende Kilo Heroin pro Jahr nach Europa geschmuggelt, und diese Scheißkerle haben auch noch Kinder als Kuriere benutzt. Eine Sauerei.«
Wrede schien zusätzlichen Sauerstoff zu benötigen. Er stützte sich mit den Händen auf den Tisch wie ein Sprinter, der auf den Startschuss wartete. »Die Überwachung teilt mit, dass die Hallamaa gestern ihren ehemaligen Freund getroffen hat.« Der Schotte hatte keine Lust, den Namen des Irakers in seinen Unterlagen zu suchen. »Der Mann behauptet, hier an irgendeinem Mathematiker-Seminar teilzunehmen, was angeblich stimmt.«
»Hat Arto außer Schaden noch etwas anderes zustande gebracht? Vielleicht möchtest du diesmal deine Informationen auch uns anderen mitteilen?«, stichelte Palosuo.
»Der Obduktionsbericht zu German Dworkin verrät nichts wesentlich Neues, und auch die KRP hat nicht die geringste Ahnung, wer den Mann umgebracht hat. Und Eeva Hallamaas Ex-Mann Antti Hytölä hat gestern am Telefon gelogen, als er behauptete, er wäre die letzten zwei Monate in Sankt Petersburg geblieben. Am Grenzübergang von Vaalimaa wusste man, dass Hytölä am letzten Samstag mit seinem Auto in Finnland war.« Ratamo fingerte am Thermostat der Heizung herum, die sich gerade mal
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