Finnischer Tango - Roman
worden. Die Ermittlungsgruppe trifft sich in einer Viertelstunde im Raum der operativen Zentrale … Palosuo, Wrede und du«, sagte Liimatta und beendete das Gespräch, ohne sich zu verabschieden.
Ratamo verpasste dem Sandsack ein paar kräftige Haken und fluchte vor sich hin. Jetzt musste er ernsthaft versuchen, mit Wrede auszukommen, denn der war immerhin der zweite Mann in der SUPO und als Leiter des operativen Bereichs auch sein und Liimattas Vorgesetzter. Sie waren sich gleich zu Beginn seiner SUPO-Laufbahn vor fast fünf Jahren in die Haare geraten: Sein ganzes Leben lang hatte ereinen Ein-Mann-Krieg gegen Autoritäten und Vorgesetzte geführt, und Wrede war ein kleinlicher Nörgler und Pedant der allerschlimmsten Sorte. Im Laufe der Jahre hatte Ratamo dem rothaarigen Kümmelspalter im Geiste etliche schlimmere Namen gegeben als »Schotte«.
Er legte das Hochzeitsbild seiner Eltern rasch wieder in den Karton und dachte darüber nach, was Liimatta gesagt hatte. Eevas Geschichte warf jetzt noch mehr Fragen auf als vorher. Wie konnte Kirilow in Hernesaari gefunden werden, wenn man ihn doch in Eevas Wohnung umgebracht hatte?
Ihm wurde plötzlich klar, dass er versprochen hatte, auf Kirsi aufzupassen, bis Eeva ihre Tochter nach Hause holen konnte, und im selben Augenblick fiel ihm auch ein, wie sich das regeln ließe.
Jussi Ketonen fand sich in der Küche am Bauerntisch, er hatte Kaffee gekocht, streichelte seinen alten Hund und hielt sich den Rücken. »Diese verdammte Bandscheibe. Wenn du jung bist, tut es auch manchmal weh, aber man weiß wenigstens, warum, doch wenn man alt ist, tut es nur noch weh.«
Der fühlte sich in letzter Zeit hier wie zu Hause, dachte Ratamo verdrossen, sagte aber nichts, weil er vorhatte, Ketonen um einen Gefallen zu bitten. »Ich habe Kirsis Mutter versprochen, dass ihre Tochter heute hierbleiben kann. Eeva ist ja etwas … passiert, wie du sicher bemerkt hast, und ihr Mann ist auf Dienstreise. Kannst du den Mädchen Gesellschaft leisten, während ich mal kurz in der Ratakatu vorbeischaue?«, fragte er und musste Ketonen nicht lange zureden.
Fieberhaft suchte Ratamo nach seinem Handy, fand es schließlich auf dem antiken Spiegelschrank im Flur und schrak zusammen, als das dumpfe Dröhnen der fast zwei Meter hohen Standuhr die Stunde halbierte. Bis zum Hauptquartier der SUPO in der Ratakatu war es nur einhalber Kilometer, deswegen entschloss er sich, zur Abwechslung einmal zu laufen.
Ratamo mußte den Entgegenkommenden ausweichen, die Korkeavuorenkatu war durch die Schneewälle am Straßenrand enger geworden, aber der klirrende Frost sorgte dafür, dass er versuchte, möglichst schnell vorwärtszukommen. Es tat ihm sofort leid, dass er sich über Ketonen geärgert hatte, als ihm einfiel, um wie viel schwerer sein Alltag ohne Jussi und Marketta wäre. Einer der beiden Rentner war immer bereit, bei der Betreuung der Kinder und auch sonst zu helfen. Marketta hatte in Nellis Leben eine große Rolle übernommen, nachdem das Mädchen vor fünf Jahren die Mutter verloren hatte.
Rasch ging er durch die Einfahrt in der Merimiehenkatu auf den Innenhof der SUPO, zog am Hintereingang seine Schlüsselkarte durch das Lesegerät, betrat das Gebäude, drückte die Hände kurz auf die Wangen und schüttelte sich den Schnee von der Ölzeugjacke. An die Kälte gewöhnte man sich nie richtig. Der Fahrstuhl war endlich einmal unten im Foyer, Ratamo drückte auf den Knopf.
Eilig holte er aus seinem Arbeitszimmer die Mappe mit dem Material über Arkadi Kirilow und lief dann zum Raum der operativen Zentrale.
»Wrede ist kurz weggegangen, um irgendwelche Papiere zu unterschreiben, er hatte es satt, auf dich zu warten«, sagte Ulla Palosuo, die Chefin der SUPO, als Ratamo hereinkam. Sie machte einen ganz ruhigen Eindruck und klopfte mehrmals leicht auf ihre massive Frisur, die heute gewissermaßen haargenauso aussah wie ein Hexenbesen am Ast einer Birke. Ratamo fand seinen Einfall sehr lustig.
Er setzte sich und begrüßte Riitta Kuurma, seine ehemalige Lebensabschnittsgefährtin, mit einem steifen Lächeln. Seit Riittas Rückkehr von ihrem Einsatz bei der Europol waren schon anderthalb Jahre vergangen. Ratamo war sovon Ilona fasziniert, dass er in Riitta wirklich nur seine Ex-Partnerin sah, aber das verringerte keineswegs die Spannung zwischen ihnen. Er fragte sich verwundert, warum Riitta zu der Besprechung geladen worden war, ihre Arbeit bestand in der Analyse von Terrororganisationen.
Auch sonst
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