Finnischer Tango - Roman
Öcalan langsam sterben ließen. Die türkischen Machthaber nutzten Apo als Erpressungsmittel, um den Widerstand der Kurden zu brechen.
»Gute Arbeit, Männer, gute Arbeit«, sagte Zana, um seinen Helfern zu danken.
Das Meer sah in der Dämmerung am Nachmittag fast schön aus, dachte er, als der Fahrer den Transporter auf die Straße am Ufer lenkte. Es schien so, als könne nichts schiefgehen. Diesen Plan hatte Adil al-Moteiri ausgearbeitet, und die Geschichte kannte nur wenige Genies wie ihn. Das war Zana sehr bald klargeworden, nachdem Adil im letzten Jahr Kontakt zu ihnen aufgenommen und von seinem Plan zur Errichtung eines unabhängigen Kurdistans erzählt hatte. In Kürze könnte er Adil von der erfolgreichen Aktion berichten. Doch zunächst musste er die finnischen Behörden anrufen und ihnen mitteilen, wo Arkadi Kirilows Leiche zu finden war.
»Dieser Türke ist für eine gute Sache gestorben.«
»So ist es, mein Bruder, so ist es.«
4
Ratamo wischte mit einem Lappen Staub auf dem Scheitel der Gipsbüsten von Elvis, Lenin und Kekkonen und danach den Schweiß von seiner Stirn. Als Begleitmusik zum Staubwischen erklang aus den Lautsprechern ein uralter Tango mit Reijo Taipale. Die melancholische und doch schwungvolle Musik trieb ihn an. Nur Wurzelbehandlungen hasste er mehr als das Saubermachen.
Der uralte Sandsack, der im Flur hing, schwang von einem Schlag Ratamos hin und her, und ein paar Sägespäne fielen zu Boden. Der Sack müßte genäht werden, überlegteer und betrat das kleine Gästezimmer, an dessen Stirnseite er sich nach der Renovierung im letzten Sommer eine Arbeitsecke eingerichtet hatte. In dem Raum war es eng, aber gemütlich.
Eeva Hallamaas unglaubliche Geschichte ging ihm nicht aus dem Kopf. Eine Stunde lang hatte er erfolgreich gegen seine Neugier angekämpft, dann aber doch nachgegeben und bei der Polizei in Pasila angerufen, nach Eeva gefragt und die Kollegen vergeblich darum gebeten, seine Freundin nicht den ganzen Tag zu drangsalieren. Eeva wurde weiter verhört, es sah so aus, als wäre sie tatsächlich in eine ernste Geschichte verwickelt. Ratamo spürte erstmals Angst, dieses neue Missgeschick könnte dazu führen, dass Eeva schwach wurde und wieder den Drogen verfiel; und dabei hätte sie doch schon wegen ihrer früheren Rauschgifteskapaden um ein Haar das Sorgerecht für ihre Tochter verloren.
Ratamos Gedanken wurden noch düsterer, als sein Blick auf den Stapel Pappkartons neben dem kleinen Schreibtisch fiel. Die Unterlagen seines vor einem Jahr verstorbenen Vaters warteten immer noch darauf, dass er sie durchging. Irgendwann musste er die Sache in Angriff nehmen, die Kartons konnten nicht ewig in der Ecke herumstehen. Er war gezwungen, sich alles mit großer Sorgfalt anzusehen. Im Nachlass könnten sich Hinweise auf seinen biologischen Vater finden. Tapani Ratamo war nur in den Kirchenbüchern sein Vater gewesen. Ratamo erstickte seine brennende Neugier, bevor er richtig Feuer fing. Bei dem Versuch, seinen Vater aufzuspüren, war er allzu oft in einer Sackgasse gelandet und hatte sich deshalb entschlossen, die Suche aufzugeben. Und an einen Entschluss musste man sich halten. Er schob sich Kautabak unter die Oberlippe.
Neugierig öffnete er den Deckel des obersten Kartons und erblickte das Hochzeitsbild seiner Eltern. Ihn überkamein Gefühl der Wehmut und der Trauer. Merkwürdigerweise sah er seine Mutter viel lebendiger vor sich als Tapani, dabei war sie schon vor über dreißig Jahren gestorben. Es war Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er als nächster an der Reihe wäre. Eine Vorstellung, die ihm zugleich erleichternd und bedrohlich erschien.
Die Wohnungstür ging auf, und man hörte das fröhliche Stimmengewirr der beiden Mädchen und dazu das kratzende Geräusch Mustis, die hereinstürmte. »Macht den Hund sauber!« rief Ratamo, im selben Augenblick klingelte das Festnetztelefon. Das benutzte nur noch Marketta und manchmal jemand von der SUPO, also nahm er den Hörer ab.
»Jukka Liimatta, grüß dich«, sagte der Chef der Antiterrorabteilung der SUPO. »Wir haben mit Wrede zusammen am Rechner gesehen, dass du seinerzeit in der Sicherheitsabteilung die Aktivitäten von Arkadi Kirilow untersucht hast.« Der direkte Vorgesetzte Ratamos hörte sich gestresst an.
»Hab ich. Aber …«
»Wir haben vor etwa zwei Stunden einen anonymen Anruf erhalten und … Kirilow wurde tot in Hernesaari aufgefunden. Der Mann ist grün und blau geschlagen und erschossen
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