Finnischer Tango - Roman
Ankara hatte seinen Bruder gemäß Artikel 125 des Strafgesetzbuches zum Tode verurteilt …
Der Russe stöhnte und ließ Zana in die Gegenwart zurückkehren. In der Wohnung der finnischen Frau hatte er Kirilow erst das Betäubungsmittel Midazolam injiziert, und gleich nachdem die Frau gegangen war, das Gegenmittel Flumazenil. Bei der Dosierung hatte er offenbar ins Schwarze getroffen, Kirilow kam genau im richtigen Moment zu Bewusstsein.
»Biji serok Apo«, flüsterte Zana, es lebe der Führer Apo Öcalan, und seine Helfer, die gerade in den Laderaum stiegen, stimmten voller Begeisterung ein. Einer von ihnenpackte das russische Opfer, das zwischen Wachsein und Bewusstlosigkeit schwankte, im Genick und am Arm und zwang den Mann auf dem Blechfußboden des Transporters in die Knie. Zana starrte den Russen an und fühlte den Hass in sich als Wärme; sein Gesicht war gerötet, und die weißen Flecken auf der Haut hoben sich nun noch deutlicher ab. Kirilow konnte als Türke herhalten, beschloss er und schlug dem Mann mit aller Kraft in die Nieren. Die gedämpften Schreie hallten im Laderaum wider, als Zana den nackten Russen mit den Fäusten wie einen Sandsack misshandelte. Genau so hatten ihn die türkischen Soldaten im Gefängnis von Mardin geschlagen. »Räche dich an dem Türken.«
»Aber töte ihn mit deinen Schlägen nicht, mein Bruder«, sagte Zana und warf wieder einen Blick auf die Uhr. Noch nicht ganz. Keuchend setzte er sich neben Kirilow und schaute in die vor Angst geweiteten Augen des Russen, plötzlich war irgendwo in der Nähe das Motorengeräusch eines Autos zu hören. Zana zog die Tür des Laderaums zu und beobachtete durch das Fenster, wie ein kleiner Audi auf den Hof fuhr und nur ein paar Meter von ihnen entfernt anhielt. War ihnen jemand auf den Fersen? Die Angst verflog, als er sah, dass der Audi-Fahrer die Teenagerin küsste, die neben ihm saß. Aha, junge Leute, die vorher noch knutschen. Zana stieg aus, kletterte in die Fahrerkabine und startete den Motor des Transporters. Das junge Paar verschwand schleunigst, um sich ein ruhigeres Fleckchen zu suchen.
Das Teenageralter in so einer heilen Welt sah ein bisschen anders aus als in Kurdistan, dachte Zana, während er im Rückspiegel die Heckleuchten des Audis beobachtete, die sich schnell entfernten. Er schaltete den Motor aus und kehrte in den Laderaum zurück. Als er die Faust zu einem neuen Schlag hob, stieß der schon grün und blau geschlagene Kirilow einen schrillen Schrei aus, kippte nach vorn und fiel krachend aufs Gesicht. Zana untersuchte denMann: Die Spuren der Faustschläge waren auf Kirilows Haut sichtbar wie eine Tätowierung. Rasch holte er aus seiner Jackentasche die Luger Parabellum P08 heraus, die er vor einer Woche aus der Wohnung von Eeva Hallamaas Vater gestohlen hatte. Es war Zeit, zu handeln, der Russe musste durch die Kugeln sterben und nicht durch die Misshandlungen. Doch vor seinem Abgang sollte Kirilow noch eine Lebensweisheit hören, obwohl er kein Türke war, beschloss Zana. Diese Gewohnheit hatte er angenommen, weil er ein gutes Herz besaß, denn von einem Landsmann hörte ein Türke nie eine Weisheit. Er beugte sich vor, berührte mit den Lippen fast Kirilows blutiges Ohr und flüsterte: »Die neue Gesellschaftsordnung ist gerade erst errichtet worden, und ihre Festigung braucht noch Zeit.«
Dann presste er den Lauf der Luger gegen Kirilows Schläfe und schoss zweimal. Der Körper sackte zusammen und sank zu Boden, Blut umgab seinen Kopf wie das Wasser der Flut die Steine am Ufer. Zana empfand Stolz. Der Plan war genau wie vorgesehen angelaufen, er würde ihn zum größten kurdischen Helden seit der Eroberung Jerusalems durch Saladin vor tausend Jahren machen.
»Bringt die Leiche auf den Hof«, befahl er in schroffem Ton.
Während seine Helfer den Toten aus dem Laderaum hinausschafften, öffnete Zana Kirilows Umhängetasche und vergewisserte sich zum zehnten Mal, dass die Beweise und die Heroinbeutel, die auf Wassili Arbamow hinwiesen, vorhanden waren. Dann sprang er hinaus, legte die Tasche und die Pistole auf Kirilows Schoß und streute die Fasern, die er bei Eeva Hallamaa eingesammelt hatte, auf die Kleidung des Russen. Diese Operation würde mit der Entstehung eines unabhängigen Kurdenstaates enden, dachte Zana voller Entschlossenheit, während er einstieg. Doch zuvor würden sie ihren Führer Abdullah Öcalan aus dem Gefängnisauf der Insel Imral befreien, wo die türkischen Faschisten den kranken Apo
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