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Finnischer Tango - Roman

Finnischer Tango - Roman

Titel: Finnischer Tango - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Hamburg wurde heute die dritte Lieferung innerhalb einer Woche geschickt.«
    »Vergiss nicht auszuruhen, bevor du Eeva Hallamaa besuchst«, sagte Adil und wollte das Gespräch gerade beenden, als Zana etwas in den Hörer rief, damit Adil noch am Telefon blieb.
    »Arbamow hat einen neuen Mann nach Finnland geschickt. Er heißt German Dworkin.«
    Adil räusperte sich. »Nun, du weißt ja, was mit Dworkin geschehen wird. Sobald die Zeit gekommen ist.«
    »Wer warten muss, dem wird die Zeit lang, Sayyid«, erwiderte Zana unterwürfig.
    »Wir machen einen Schritt nach dem anderen, genau wie vorgesehen«, fuhr Adil ihn an und drückte auf die Taste mit dem roten Hörer. Es brachte ihn in Rage, wenn Zana ihn Sayyid nannte.
    Adil interessierte es nicht sonderlich, dass die direkte Verbindung seiner Familie zum Propheten schon im 16. Jahrhundert in der Al-Azhar-Universität in Ägypten nachgewiesen worden war. Oder dass seine Vorfahren im 7. Jahrhundertauf die eine oder andere Weise in Medina den ersten vier Kalifen gedient und am Ende des 16. Jahrhunderts das sagenumwobene Heerwesen der Osmanen entwickelt hatten. Oder dass sein Großvater unter dem irakischen König Faisal I. Verteidigungsminister gewesen war und sein Vater unter Präsident Ahmad Hasan al-Bakr Vizepremier. Das war alles vergangen und vorbei. Etwas anderes aber interessierte ihn sehr: Einer seiner Brüder war heute Generalstabschef der syrischen Armee, ein anderer Berater des jordanischen Außenministers, und in Führungspositionen fast aller arabischen Länder fanden sich nahe Verwandte von ihm. Die Achtung, die man seiner Familie in den arabischen Ländern entgegenbrachte, würde ihm viele Türen öffnen. Und hatte schon etliche geöffnet.
    In der Kluuvikatu verringerte Adil die Geschwindigkeit, bog ab und fuhr auf die dunkle Hubtür des Parkhauses zu, als plötzlich ein junger Mann in einem zu großen Parka und mit einer Pudelmütze aus der Galerie Kämp herausgeschossen kam und vor das Auto lief. Adil bremste, der Mégane kam auf der vereisten Straße ins Rutschen und blieb erst stehen, als er nur noch wenige Zentimeter von dem jungen Mann entfernt war, der einen Plastikbeutel trug und Adil verdutzt anstarrte. Erweiterte Pupillen und verlangsamte Reaktionen – ganz eindeutig ein Drogenabhängiger, vermutete Adil.
    Leute wie ihn brachten sie heute um, dachte Adil, während er auf der Rampe ins Parkhaus hinunterfuhr. Er durfte die ermordeten Junkies nicht bemitleiden. Der Tod einiger Drogensüchtiger war der Preis, der gezahlt werden musste, um das Leben Tausender oder Zehntausender Menschen zu schonen. Um das Gute zu erreichen, war man zuweilen gezwungen, etwas Böses in Kauf zu nehmen; bedeutende Dirigenten wie er mussten das große Ganze sehen. Indem er dafür sorgte, dass Wassili Arbamow vom Drogenmarkt verschwandund Europa nicht mehr mit Heroin überschwemmt wurde, würde er Tausenden jungen Leuten die Hölle der Drogenabhängigkeit ersparen.
    Adil fuhr mit dem Fahrstuhl aus dem Parkhaus in die zweite Etage des Hotels »Kämp« und betrat bald darauf sein enges, aber luxuriös eingerichtetes Zimmer. Er schaltete den Fernseher ein, suchte den CNN-Nachrichtenkanal und schüttelte den Kopf: Wieder ein Terroranschlag in Jerusalem. Orthodoxe Juden in den orangefarbenen Schutzwesten der Organisation Zaka suchten Körperteile in den Resten des von einem Selbstmordattentäter in die Luft gesprengten Busses. Für die Juden war der menschliche Körper so heilig, dass es jedes einzelne Teil verdiente, begraben zu werden. Adil empfand große Wertschätzung für diesen Grundsatz.
    Er warf sich der Länge nach auf das viel zu weiche Bett und versuchte sich zu entspannen, aber sein Gehirn arbeitete pausenlos weiter, wie ein Uhrwerk. Die Vernichtung Arbamows war gut angelaufen. An diesem Tag würde es überall in Europa Drogentote geben, das würde die Aufmerksamkeit der Polizei wecken. Bei jedem toten Drogenabhängigen fände sich das gleiche Heroin wie bei Kirilow. Die Polizei wusste, dass Kirilow für Arbamow arbeitete, und die Nachricht, die Eeva der finnischen Polizei übermittelt hatte, war dann noch ein Wink für die Behörden, dass Arbamow die Verantwortung für diese Heroinwelle trug. Schon bald würden alle Gesetzeshüter zwischen Eismeer und Mittelmeer von Arbamows Plan wissen. Doch das war erst das Vorspiel in der Aufführung, die Arbamows Vernichtung zeigte. Die nächste Etappe des Planes würde beginnen, wenn er einen Rentner in Sankt Petersburg anrief.

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