Finnischer Tango - Roman
überstürze nichts.«
Zana kniete sich neben die junge Frau und zog aus seiner Brusttasche eine Injektionsspritze. Er riss ihre Spritze aus der blutverschmierten Armbeuge, schob seine hinein, schoss der Frau die tödliche Ladung in die Vene und zog die Nadel heraus. Seiner Meinung nach verdiente auch sie es, eine seiner Weisheiten zu hören.
»Die Überreste der alten Denkweise, die das alte System widerspiegelt …« Zana wusste nicht mehr weiter, er dachte angestrengt nach. »… bleiben noch lange in den Köpfen der Menschen und sind nicht leicht herauszubekommen.«
Zana untersuchte die Taschen der Drogensüchtigen, fand aber kein Heroin. Vielleicht hatte sie ihr letztes Pulver verwendet und den Beutel in einen der Müllcontainer geworfen. Er nahm aus seiner Tasche ein nicht ganz gefülltes Tütchen mit Heroin, versah es mit den Fingerabdrücken seines Opfers und steckte es in ihre Hosentasche. Nun hatte er einen Hinweis auf Arbamow hinterlassen. Im Labor der Polizei würde man herausfinden, dass ihr Heroin das gleiche war wie das bei Kirilow gefundene. Das Heroin für Arbamowwar mit Absicht so verarbeitet, dass man es leicht identifizieren konnte.
Schnell verließ er den stinkenden Müllraum und wäre um ein Haar mit einer Frau zusammengestoßen, die einen Rollator schob und ihm wütend etwas hinterher rief. Der Schnee knirschte unter seinen Schuhen, als er eilig in Richtung Helsinginkatu lief. Jetzt waren alle drei finnischen Opfer erledigt. Er leistete eine heldenhafte Arbeit zum Wohle der Kurden. Kein anderes Volk hatte so viele Qualen, Leiden und Heimsuchungen erdulden müssen.
Zana senkte den Kopf, als die Flut der Erinnerungen über ihn hereinbrach. Im Spätsommer 1972 hatte sein Vater ihn allein verreisen lassen; für den zwölfjährigen Jungen war die Fahrt nach Bahdina im Nordirak zum Verwandtenbesuch bei seinem Onkel Mehdi ein wichtiges Ereignis gewesen, ein Schritt auf dem Weg, auf dem man zum Mann wurde. An einem der vielen heißen Tage, als er und sein Cousin Masud die Schafe auf den Weiden oberhalb des Dorfes hüteten, war plötzlich und völlig unerwartet das Geräusch von Flugzeugen zu hören gewesen. Voller Angst hatten sie beobachtet, wie Bomben auf Masuds Heimatdorf fielen. Zana sah ihn immer noch vor sich, den hellgelben Rauch, der sich überall ausbreitete, als die Bomben explodierten, und genauso roch wie das Schädlingsbekämpfungsmittel zu Hause, ein wenig nach Apfel und Knoblauch. Als sie ins Dorf rannten, bekamen sie von dem Rauch einen bitteren Geschmack im Mund, die Nase lief, die Augen tränten, und ihr Sehvermögen hatte sich getrübt. Der Anblick, der sie im Dorf erwartete, hatte sich für immer eingefressen: Die Haut der Dorfbewohner, die das Gas eingeatmet hatten, war dunkel geworden, und aus ihren Nasen und Mündern floss Blut. Erst viel später hatte er gehört, dass in jenem Jahr über 200 000 Kurden ermordet worden waren.
Es interessierte Zana immer noch nicht, ob sein OnkelMehdi durch Senfgas, Sarin, Tabun, VX-Nervengas oder Zyanidgas umgebracht worden war, er wollte nicht einmal wissen, ob ein irakisches oder iranisches Flugzeug die Bomben abgeworfen hatte. Ihn interessierte nur eines: die Rache und der unabhängige Kurdenstaat.
Eine Gruppe Jugendlicher, die am Rand der Eisbahn auf dem Brahen kenttä herumlungerten, rief Zana irgendetwas zu, aber das Gejohle verstummte, als er ihnen sein fleckiges Gesicht zuwandte. Schon bald würde er Adil anrufen und ihm mitteilen, dass alles wieder verlaufen war wie vorgesehen – also perfekt. Etwas anderes wäre für Adil auch nicht gut genug, der Mann erwartete von allen den gleichen Perfektionismus wie von sich selbst. Zana war das nur recht, denn das war die beste Garantie dafür, dass Adil auch fähig sein würde, sein der PKK gegebenes Versprechen einzuhalten. Adil al-Moteiri, Wohltäter der Kurden.
Aus irgendeinem Grund wartete Zana voller Wärme auf die nächste Begegnung mit Adils ehemaliger Freundin Eeva Hallamaa. Heute hörte die Polizei ihre Telefongespräche wahrscheinlich schon ab, also müssten sie sich von Angesicht zu Angesicht treffen.
Der Gedanke erregte ihn.
11
Sie sieht mitgenommen aus und älter, als sie ist, trotzdem ist sie die schönste Frau, die ich je gesehen habe, dachte Adil al-Moteiri niedergeschlagen, während Eeva direkt auf sein Auto zulief. Wie sehr Spinoza doch mit seiner Behauptung recht hatte, alle Gefühle des Menschen seien von der Freude oder der Trauer abgeleitet. Adil erkannte in
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