Finnischer Tango - Roman
Verdacht stehen … oder Zeugen sind, antworten.« Ratamo fluchte innerlich über seine nicht sehr glückliche Wortwahl. Er erhob sich und ging in den Flur.
»Stehe ich unter Verdacht?« Eeva hörte sich wie jemand an, der ganz am Boden war.
»Nun, offen gesagt, deine Lage ist nicht gerade … sehr einfach. Ich werde tun, was ich kann.«
Ratamo fuhr in seine Schuhe und zog den Reißverschluss seiner Jacke zu. »Ich bin übrigens gezwungen, zu fragen, was du in den nächsten Tagen tun willst, du hast ja wohl nicht vor, Helsinki zu verlassen.« Er hoffte, einen geeigneten Augenblick für die Installation der Abhörvorrichtungen in Eevas Wohnung zu finden.
»Morgen ist ein normaler Arbeitstag. Wirklich ein ganz normaler.« Eeva lachte trocken. »Das Seminar mit den forschungsorientierten Studenten beginnt um neun und geht bis sechs Uhr abends. Und dann ist noch die Reitstunde der Mädchen …«
»Ich kann sie ja hinfahren«, versprach Ratamo und versuchte Eeva noch mit ein paar aufmunternden Worten zu trösten, bevor er die Treppen hinuntertappte. Warum hatte Eeva gelogen, als es um al-Moteiri ging? Und hatte sie in Bezug auf die Pistole wirklich die Wahrheit gesagt? Was war, wenn er nun doch die Spuren einer Mörderin verwischte? Ratamo erinnerte sich an die Fotos von Kirilows zerschundenem Körper und kam zu dem Schluss, dass Eeva nichts mit so einem brutalen Mord zu tun haben konnte.
Ratamo trat in die eisige Kälte hinaus und bemerkte sofort einen südländisch aussehenden Mann, der auf der anderen Straßenseite stand und zu den Fenstern von Eevas Wohnung hinaufschaute. Er ging auf den Mann zu und erreichte den Anfang des Fußweges, der durch den Park führte, bevor der Ausländer ihn sah, sich umdrehte und losrannte.
»Halt stehenbleiben! Polizei, Police!«, schrie Ratamo, er stürzte dem fliehenden Mann hinterher und überquerte dabei die Tehtaankatu bei laufendem Verkehr. Die Autos hupten ohrenbetäubend.
Die beiden Männer rannten in Richtung Meer. Ratamos Beine wurden von der Milchsäure steif, einige Male wäre er auf dem schneebedeckten Fußweg fast ausgerutscht, sein Puls beschleunigte sich, und die Brust schmerzte, als er die eisige Luft in die Lungen zog. Doch der Abstand verringerte sich nicht. Dann bog der Fliehende nach links ab in die Pietarinkatu und wenig später nach rechts in die Huvilakuja.
Ratamo blieb in der schmalen Straße stehen und schaute sich um, nirgendwo war eine Bewegung zu erkennen. Hatte er diesen Türken gesehen? Irgendeinen Grund für seine Flucht musste der dunkelhaarige Ausländer ja haben. Er spähte über die flachen Steinmauern hinweg in die Innenhöfe der Häuser und ballte die Fäuste, als er schließlich die bittere Wahrheit einsehen musste: Der Mann war verschwunden.
17
Im zweiten Kellergeschoss der SUPO war ein rhythmisches Stöhnen zu hören. Erik Wrede zog mit den Händen, stieß aus der Hüfte und ächzte im Takt. Das verschwitzte Gesicht des Schotten war von der Kraftanstrengung verzerrt und gerötet,als wollte es seinen rostroten Haaren Konkurrenz machen. Das Tempo ließ allmählich nach, und das Schnaufen wurde stärker, bis schließlich ein tierischer Schrei den letzten Stoß begleitete.
Die Klimaanlage im Fitnessraum streikte. Ratamo wischte sich den Schweiß von der Stirn, warf ungeduldig einen Blick erst auf seine Uhr, dann zu Riitta Kuurma und fluchte innerlich über den Schotten, der sie hierher beordert hatte, um die Ermittlungsergebnisse im Fall Kirilow zusammenzufassen. Und das ausgerechnet jetzt, Ratamo musste eigentlich losgehen, er war mit Mikko Reiman verabredet. Das wurde knapp. In einer Stunde sollten er, Nelli und Ilona bei Marketta und Ketonen zum Abendbrot erscheinen, und Marketta duldete es nicht, wenn man zu spät kam. Verdammter Wrede. Nach dem Besuch bei Eeva und der Verfolgung des geflohenen Ausländers hatte er auch noch viel kostbare Zeit dafür gebraucht, die richtigen Leute bei der Kriminalpolizei ausfindig zu machen. Den Mordfall Kirilow bearbeitete nicht mehr die Helsinkier Kriminalpolizei, sondern die Ermittlungen waren der KRP übertragen worden, und es hatte unbegreiflich lange gedauert, die zuständigen Ermittler ans Telefon zu bekommen.
Ratamo hatte vom Geächze des Schotten die Nase voll. »Pass auf, dass dir keine Ader im Kopf platzt.«
»Oder dass auch noch die letzte Hirnzelle abstirbt«, flüsterte Riitta Kuurma.
»Ohne Palosuo dürften wir den Fall eigentlich nicht besprechen«, sagte Ratamo, um endlich zur Sache
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