Finnischer Tango - Roman
Umar hatte die Absicht, mit seinen durch das Heroingeschäft verdienten Millionen Schlimmeres zu vollbringen als viele der Kriminellen, die als die brutalsten in der Geschichte gebrandmarkt waren. Adil sah die brennenden Türme des World Trade Center vor sich und versuchte sich vorzustellen, wie die Hinterlassenschaft der von Umar befehligten Takfir-Terroristen aussehen würde.
Es raschelte, eine Ratte rannte einen Meter von Adil entfernt vorbei und ließ ihn auflachen. Die versteckten sich bestimmt bei den Abfallbehältern der nahe gelegenen Betriebskantine. Er beschloss, die ganze Sippe des Nagers in sein Büro zu locken, das würde die Inszenierung noch realistischer machen. Dieser Ort war so vollendet, wie er es sich nicht hatte vorstellen können.
Adil setzte sich auf einen Holzhocker, dessen Lack abblätterte, und dachte an den Spanier, der in den sechziger Jahren auf den Namen Carlos Candelaria getauft worden war und nach seinem Übertritt zum Islam in den achtziger Jahren den Namen Umar Hussain angenommen hatte. Den Namen Umar hatte er dem zweiten Kalifen der islamischen Gemeinschaft entlehnt, der im sechsten Jahrhundertgelebt hatte und ein berühmter Krieger gewesen war. Bis zu seiner Ermordung bei einem Attentat im Jahre 644 hatte er den Irak, Teile des Iran, Ägypten, Palästina, Syrien, ganz Nordafrika und Armenien erobert und so das islamische Kalifat vergrößert. Das strebte auch der neue Umar an, die Ausbreitung des Islam mit allen Mitteln, am liebsten mit Blut.
»Ein ekliger Stall«, sagte Zana an der Schwelle. Adil zuckte zusammen. »Aber so etwas wolltest du ja anscheinend haben.«
»Hat die Frau eingewilligt?«, fragte Adil ungeduldig und erhielt als Antwort ein kurzes Kopfschütteln.
»Natürlich nicht«, murmelte Adil. Eeva Hallamaa war die eigensinnigste Frau, die er kannte, das war ein Teil ihrer Anziehungskraft. »Aber morgen wird sie ganz sicher dazu bereit sein. Habt ihr die Drogen schon versteckt?«
Zana stand kerzengerade da und wirkte so noch größer. »Bei ihr zu Hause gestern, bevor die Polizei die Überwachung der Frau begonnen hat, und im Fotoatelier des Mannes heute Morgen.«
Adil zeigte seine Zufriedenheit mit einem freilich übertrieben breiten Lächeln. »Wenn Wassili Arbamow nicht innerhalb von sechs Stunden zahlt, kannst du German Dworkin noch brutaler in die Mangel nehmen als gestern Kirilow. Wir haben keine Zeit für einen dritten Versuch, Eeva zu überreden. Und befiehl deinen Männern, die Dinge, um die ich gebeten hatte, so schnell wie möglich hierher zu bringen. Am liebsten sofort.«
Zana nickte und wandte sich zur Tür, doch da fiel ihm noch etwas ein. »Einer meiner Helfer hatte es vor ein paar Stunden mit … der Polizei zu tun«, berichtete Zana. »Aber er konnte fliehen, es ist alles in Ordnung«, fügte er eilig hinzu, als er Adils besorgte Miene erblickte. »Hoffen wir, dass es keine Probleme mit dem Zeitplan gibt. Noch heutemüsste Kontakt zum Arzt aufgenommen werden. Ich brauche für morgen ein paar … Ratschläge«, sagte er und verschwand durch die Tür.
Adils Begeisterung erlosch im selben Augenblick, als er das Wort Arzt hörte, die Erlebnisse in Camp Bucca drangen überdeutlich und schmerzhaft in sein Bewusstsein. Ein Teil der Ärzte der britischen Armee hatte an den Folterungen von Gefangenen teilgenommen, sie sorgten für die Wiederbelebung bewusstloser Häftlinge, damit die Opfer noch mehr Foltern aushielten, sie ließen unfähige Soldaten Wunden von Gefangenen nähen, vertuschten Morde, indem sie Totenscheine falsch ausstellten, und ließen Beweise für die Misshandlung von Gefangenen verschwinden. Die Grausamkeit von Menschen, die ausgebildet waren, Gutes zu tun, verabscheute Adil um ein Vielfaches mehr als die Brutalität von Soldaten, die für das Töten geschult waren. Er hoffte einmal mehr, zumindest die schmerzlichsten Erinnerungen aus seinem Gedächtnis löschen zu können, vor allem die Bilder seiner bei einem Anschlag ums Leben gekommenen Schwestern. Konzentriere dich, lenke deine Gedanken in eine andere Richtung, befahl er sich.
Er schaute sich um und stellte sich vor, wie das Büro nach der Veränderung aussehen würde: Zellen für die Gefangenen, der Ventilator an der Decke, der Abfluss, in den das Blut gespült wurde … In diesem Büro würde alles Platz finden. Dann wanderten seine Gedanken zu Veikko Saari: War der Rentner imstande, seinen Auftrag auszuführen? Vielleicht hätte er den Hintergrund des Mannes noch genauer
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