Finnischer Tango - Roman
überprüfen sollen. In seinem Plan gab es keine Schwachstellen, aber Saaris Rolle war so wichtig, dass er sich deswegen ständig Sorgen machte. Doch zum Grübeln war es jetzt zu spät, beschloss Adil. Vor allem, weil der Plan für Arbamows Erpressung so ausgefeilt war, dass Saari ihn nicht untergraben könnte, selbst wenn er es wollte.
Adil bemerkte, dass seine Gedanken in dem öden, widerlich stinkenden Raum immer düsterer wurden, anscheinend erinnerte er mehr an Camp Bucca als nötig. Ein Risiko seines Plans nach dem anderen kam ihm in den Sinn, und verblüfft stellte er fest, dass ihn Angst beschlich. Für einen Augenblick hatte er das Gefühl, ohne Stange auf einem Seil zu tanzen. Er brauchte frische Luft.
Die Kälte schlug ihm ins Gesicht, als wollte sie ihn daran erinnern, dass sich jedes Genie mühsam seinen Weg durchs Leben bahnen musste, unterschätzt von den Kollegen, als ständiges Ziel von Intrigen, einsam und von Trauer, Hass, Verbitterung und Schwermut heimgesucht. Den Menschen fehlte es an Verständnis, an der Fähigkeit, sich auf das Niveau von Ausnahmeindividuen zu erheben – sie waren untereinander wie Wölfe. Das hatte er schon als junger Mensch gelernt, als er ständig mit seinen Eltern und Lehrern in Konflikt geraten war. Man hatte ihn für faul und unfähig gehalten, da schon sichtbar wurde, dass er anders war als die anderen, aber seine Genialität noch nicht weit genug entwickelt, noch nicht offensichtlich war. Er selbst hatte seine Größe schon damals erkannt, genau wie Otto von Bismarck, der als Abiturient gesagt hatte: »Aus mir wird entweder der größte Lump Preußens oder sein erster Mann.«
Nun, in der Welt nach Camp Bucca, wusste Adil, dass er ein großer Mann werden würde.
19
Ratamo zerrte an der Klinke des Fotoateliers im Untergeschoss eines Mietshauses in der Jääkärinkatu, aber das Ding rührte sich nicht. Also klopfte er erst an das Holz der Tür, dann an die getönte Scheibe und schließlich versuchte er durch die Lücken der Jalousie in das Geschäft hineinzuschauen.Es war schon fast halb sieben, er kam viel zu spät.
Endlich erschien Mikko Reiman an der Tür, er sah müde, aber gut gelaunt aus. »Grüß dich, Arto. Gut, dass sie wegen der Fragen zu Eevas Geschichten jemanden geschickt haben, der einem vertraut ist. Du verstehst Eeva bestimmt besser als deine Kollegen.«
Ratamo drückte Mikko die Hand. »Eeva hatte ja wirklich Gründe, schockiert zu sein.«
Als Mikko sagte, er wolle Kaffee kochen, versuchte Ratamo, ihn davon abzuhalten, seine Zeit war knapp bemessen, er musste innerhalb einer halben Stunde herausbekommen, was Mikko von den Ereignissen der letzten Tage wusste, Nelli zu Hause abholen und mit ihr in die Jääkärinkatu zurückkehren, zum Abendessen bei Marketta und Ketonen.
Er setzte sich auf das Sofa und musterte das Atelier, während der Kaffee durchlief: An einer Giebelwand des großen Raumes war ein Büro eingerichtet, und am anderen Ende befanden sich alle möglichen Fotoutensilien, Kartons, gestapelte Hocker, Kamerataschen … Dann entdeckte er in den Zimmerecken Wischtücher und zu Füßen der Wände feuchte Lappen.
Der Hausherr bemerkte den fragenden Gesichtsausdruck seines Gastes. »Es hat heute Mittag einen vollkommen rätselhaften Wasserschaden gegeben. Irgendwie hat Papier das Toilettenbecken verstopft, um ein Haar hätte es eine noch größere Überschwemmung gegeben.«
Ratamo stand auf, um die Fotos an der Wand aus der Nähe zu betrachten. Sie waren vor kurzem im Sepänpuisto aufgenommen worden. An der Bande des Eishockeyspielfeldes in dem Park erkannte man Graffiti, die erst seit ein paar Tagen da zu sehen waren. Mikko schien ein begabter Fotograf zu sein: Das fahle Licht des frostklaren Tages war gekonnt eingefangen.
Als Ratamo die Tasse mit dem dampfenden Kaffee in der Hand hielt, kam er zur Sache. Er berichtete über die Hintergründe der Ereignisse, die mit dem Mord an Kirilow und mit Eeva zusammenhingen, und zwar so viel, wie seines Erachtens nötig war. Dann begann er mit der Routinebefragung.
Mikko antwortete sachlich und genau. Ratamo gelangte schnell zu der Überzeugung, dass – egal welche Rolle Eeva bei all dem spielte – Mikko nichts von diesen Dingen wusste. Die schwierigsten Fragen hob er sich bis zuletzt auf. »Ich habe von Eeva gehört, dass du ihre Schilderung anscheinend nicht glaubst.«
»Geschichten vom gleichen Typ hat sich Eeva damals ausgedacht, als sie abhängig war.« Mikko senkte den Blick zu Boden.
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