Finnisches Blut
Parola bei dir?« fragte Vairiala hastig. Sein Glück schien wieder eine Kehrtwendung zu machen.
»Na klar. Wir sind unzertrennlich wie Pech und Schwefel.«
»Ihr seid doch hoffentlich schon auf dem Weg zum ›Torni‹?« »Wir sind in zwei Minuten da.«
»Hast du sichergestellt, daß jemand Ratamo bis dahin im Auge behält, damit es nicht wieder schiefgeht«, sagte Vairiala. Das Adrenalin schoß ihm schon ins Blut, und seine vom Schweiß glänzende Glatze wurde rot.
Leppä berichtete, daß die Kontaktperson Ratamo folgen würde, sollte er das Hotel verlassen.
Vairiala verlangte, daß sie ihn sofort informierten, wenn sie Ratamo in ihrer Gewalt hatten. Also würden sie den Wissenschaftler doch noch vor seinem Treffen mit Siren erwischen. Vairiala war zufrieden. Er spürte, wie sein Selbstvertrauen zurückkehrte.
»Bierernst macht ja mächtig Druck«, sagte Leppä. Parolas Miene verfinsterte sich. »Hoffentlich wird das keine Katastrophe«, erwiderte er.
Leppä fand, daß Vairiala ein ziemliches Risiko einging, weil er auf der Jagd nach einem Doppelmörder nur eine Gruppe von zwei Mann einsetzte. Der Mann gefährdete auch ihn und Parola.
Der Lada bog gerade von der Mannerheimintie in die Lönnrotinkatu ab, als Parolas Handy klingelte. Es dauerte einen Augenblick, bevor er es aus der Brusttasche unter dem Sicherheitsgurt herausgeholt hatte.
Ihre Kontaktperson meldete, daß der Mann, der aussah wie Ratamo, das Hotel verlassen habe. Sie selbst trage die Hotellivree mit Weste und Fliege und folge der Zielperson, die derzeit auf dem Bulevardi noch ungefähr einhundertfünfzig Meter vom Erottaja entfernt sei.
|150| Parola war währenddessen von der Lönnrotinkatu nach links in die Yrjönkatu abgebogen und fuhr in Richtung Bulevardi. Im Zentrum herrschte lebhafter Verkehr. Plötzlich sah er eine freie Parktasche, bremste heftig und lenkte den Wagen schnell in die Lücke. So schnappte er sie einem tollen Geländewagen, der schon auf den Platz gelauert hatte, direkt vor der Nase weg. Der Fahrer drohte ihm mit der Faust.
»Komm, das letzte Stück gehen wir zu Fuß«, sagte Parola und stieg aus.
|151| 27
Die Luft war warm wie eine Daunendecke, und eine leichte Brise brachte angenehme Abkühlung. Die Gefahr eines Gewitters schien überraschenderweise vorüber zu sein. Ratamo lief langsam durch die Straßen im Zentrum und wartete darauf, daß die halbe Stunde bis zum Treffen mit Pirkko Jalava verging. Er hatte vollauf damit zu tun, den fast im Laufschritt dahinhastenden Menschen auszuweichen. Ob wohl jemals einer von ihnen innehielt und überlegte, warum er es eigentlich so eilig hatte? Ratamo vermutete, daß sich das nur wenige fragten und noch weniger eine Antwort wußten. Er hätte gern jeden, der an ihm vorbeistürzte, für einen Monat nach Myanmar geschickt, wo er auf einer der menschenleeren Paradiesinseln des Mergus-Atolls, angewiesen auf die Früchte der Natur, in dem Rhythmus leben müßte, den die Sonne bestimmte, so wie er es seinerzeit getan hatte. Wie viele hätten danach noch Sehnsucht nach dem Helsinkier Lebensrhythmus?
Ratamo wischte sich den Schweiß von der Stirn und konzentrierte sich auf das Treffen mit Pirkko Jalava. Letztendlich hatte sie den Vorschlag überraschend schnell angenommen. Andererseits konnte es sein, daß sie ihr Interesse nur vorgetäuscht hatte, um das unangenehme Telefongespräch zu beenden, und in Wirklichkeit überhaupt nicht daran dachte, ins Stockmann zu kommen. Doch diese Möglichkeit wollte sich Ratamo nicht einmal vorstellen. Er brauchte unbedingt Hilfe. |152| Und wenn Pirkko Jalava nun nichts herausfand, überlegte
Ratamo. Er besaß keinen einzigen Beweis, mit dem er sie von der Richtigkeit seiner Behauptungen, also von seiner Unschuld, was die Morde anging, von der Entdeckung des Gegenmittels oder der Rolle der Aufklärungsabteilung, überzeugen könnte. Um nachzuweisen, daß sein Gegenmittel wirkte, hätte er Ebola-Blut und ein paar Stunden im Labor der vierten Sicherheitsstufe gebraucht, und das war in dieser Situation unmöglich. Und wenn er ihr nur die Formel des Gegenmittels gab, würde das überhaupt nichts nützen. Ratamo fürchtete, daß nicht einmal eine anerkannte investigative Reporterin imstande wäre, den Wahrheitsgehalt seiner Geschichte zu überprüfen. Nur für Kaisas und Mannerahos Tod könnte sie eine Bestätigung bekommen, bei allem anderen wäre sie gezwungen, selbst zu suchen und die Wahrheit irgendwie auszugraben. Ratamo konnte nur hoffen, daß
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