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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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eine Journalistin dieser Qualität über Mittel und Quellen verfügte, von denen er keine Ahnung hatte.
    Als er von der Annankatu auf den Bulevardi abbog, schaute er auf seine Uhr. Es war zehn vor zwölf. Er beschloß, schon ins Stockmann zu gehen.
    »Arto, grüß dich. Lange nicht gesehen. Was machst du so?«
    Ratamo war in Gedanken versunken, und es dauerte einige Sekunden, bis er begriff, daß ihn jemand ansprach. Er wandte den Blick in die Richtung, aus der die Stimme kam. »Grüß dich, Simo. Ja also, nichts Besonderes. Ich will gerade einkaufen gehen«, sagte Ratamo. Er ging an seinem alten Studienkameraden vorbei und lief langsam weiter. In dem Zustand war er nicht in der Lage, mit Bekannten über Belanglosigkeiten zu plaudern.
    »Hör mal, wir müßten uns nach langer Zeit wieder mal treffen. Komm doch mit Kaisa abends mal zum Essen vorbei«, rief |153| der Mann, der einen dünnen pfefferminzgrünen Anzug trug, ihm nach.
    »Gute Idee. Ich melde mich«, erwiderte Ratamo, ohne sich umzudrehen.
    Der Gedanke an das Familienidyll des Bekannten weckte in Ratamo mit Angst vermischte Empfindungen. Er hatte das Gefühl, total allein zu sein. Wenn sich dieses Knäuel von Problemen nicht entwirren ließ, müßte er ins Gefängnis – falls er das alles überhaupt überlebte. Wer würde sich dann um Nelli kümmern? Vielleicht könnte sich das Kind daran gewöhnen, daß die Mutter fehlte, aber der gleichzeitige Verlust beider Elternteile, wenn der eine im Grab und der andere im Gefängnis verschwand, könnte das Mädchen zerstören. Er hatte zwar eine Veränderung in seinem Leben gewollt, aber nicht so. Die Angst um Nellis Sicherheit kehrte zurück und wurde stärker. Er würde Marketta anrufen, sobald er Pirkko Jalava getroffen hatte.
    Ratamo betrat das Kaufhaus Stockmann von der Mannerheimintie aus, sprang im letzten Moment noch in den Aufzug, verließ ihn in der fünften Etage wieder und ging in das Restaurant. Er setzte sich so an den Bartresen, daß er den einzigen Eingang im Auge hatte. Rundum erklang lebhaftes Stimmengewirr. Bevor Ratamo etwas bestellen konnte, erhob sich schräg hinter ihm eine etwa dreißigjährige dunkelhaarige Frau und kam auf ihn zu.
    »Arto Ratamo?« sagte sie mit tiefer Stimme. Die Frau hatte verblüffend dunkle Augen und langes, gewelltes nußbraunes Haar. Sie trug eine kurze hellblaue Hemdbluse und enge Jeans, die ihre üppigen Formen betonten. Und sie hatte ein sehr gewinnendes Lächeln. Ratamo fand, daß sie genau wie eine orientalische Bauchtänzerin aussah. Er stand vom Barhocker auf. |154| »Gehen wird dort an den Tisch in der Ecke«, sagte er, als sie sich die Hand gaben. Pirkko Jalava stellte sich nicht vor.
    Zum ersten Mal seit den grauenhaften Ereignissen am frühen Morgen sah Ratamo einen Hoffnungsschimmer. Vielleicht konnte ihm diese Frau aus dem Labyrinth heraushelfen, in das man ihn gestoßen hatte.
    Pirkko Jalava kam sofort zur Sache und erzählte, sie habe inzwischen nach ein paar Anrufen bestätigt bekommen, daß Kaisa Ratamo und Eero Manneraho tatsächlich tot waren und Arto Ratamo unter dem Verdacht stand, beide ermordet zu haben. Seine Behauptung, man habe es so inszeniert, daß er wie der Schuldige aussah, würde hingegen durch nichts gestützt. Von dem Gegenmittel gegen das Ebola-Virus habe auch niemand gehört. Pirkko Jalava sagte, sie sei nur deswegen zu dem Treffen gekommen, weil die Polizei Anweisung hatte, sofort Verbindung zur Aufklärungsabteilung aufzunehmen, wenn Arto Ratamo gefunden wurde. Das wäre zweifellos eine Bestätigung von Ratamos Geschichte.
    Ratamo winkte den Kellner heran. Er war schon zufrieden, daß Pirkko Jalava wenigstens etwas gefunden hatte, was seinen Bericht bestätigte.
    »Wie konnte es eigentlich zu so einem verworrenen Drama kommen?« fragte Jalava verwundert.
    Ein Kellner mittleren Alters mit krebsrotem Gesicht erschien am Tisch und wartete schweigend darauf, daß die Gäste ihm ihre Bestellung mitteilten. Seine Hände zitterten.
    »Ich möchte etwas essen«, sagte Ratamo.
    Der Kellner antwortete apathisch, er hole die Speisekarte, und machte kehrt.
    »He, warte. Die Karte brauche ich nicht. Ich nehme Nudeln.
    Bring irgend etwas, was ihr dahabt, und ein Bier«, erklärte |155| Ratamo und wandte sich dann Pirkko Jalava zu. »Ich habe heute noch nichts weiter gegessen als eine Scheibe Brot zum Frühstück. Oh, entschuldige, ich habe dich ganz vergessen. Was möchtest du?«
    »Danke, nichts«, sagte Jalava ungeduldig. »Wenn du Hilfe

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