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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Chaos. Über ihm kreischte eine Möwe. Durch diese Straßen war er als kleiner Junge oft gelaufen, wenn er allein sein wollte. Allerdings hatten sich damals hier ganz andere kleine Geschäfte befunden. |143| Da drüben, im Souterrain dieses Hauses, war der Spielzeugladen von Helander gewesen, in dem er sich Schiffsmodelle und Knaller gekauft hatte. Und hinter diesen Erkerfenstern lag damals der Kuchen der Bäckerei Siitonen. Er war oft kurz vor Ladenschluß in den Laden gegangen, weil die Leckerbissen dann zu einem Spottpreis verkauft wurden. Doch statt einer Bananenschnitte erblickte er nun einen Vibrator. Das rote Werbeschild des King’s Sex Shop blinkte im Rhythmus seines Herzschlags.
    Sein Gehirn funktionierte wieder besser. Ratamo dachte darüber nach, welchen Zusammenhang es zwischen dem Mörder seiner Frau und der Aufklärungsabteilung gab. Seltsamerweise brachte die Aufklärungsabteilung nicht an die Öffentlichkeit, daß er unter Mordverdacht stand. Und wie war es möglich, daß sie schon von dem Mord an Kaisa wußte, als er zur Polizeistation in der Pieni Roobertinkatu kam? Die Schüsse in ihrer Wohnung konnte niemand gehört haben. Steckte die Aufklärungsabteilung hinter den Morden? Aber die würde doch wohl kaum Finnen in deren Wohnung hinrichten. Vielleicht benutzte sie ihn als Köder, um den Mörder zu fassen. Aber wer steckte dann hinter allem? Und welches Motiv besaß der Mörder? Das mußte alles mit dem Gegenmittel zusammenhängen. Er selbst kannte natürlich die Formel. Manneraho hatte seine Originalnotizen, er hätte die Formel auswendig lernen können, und Kaisa theoretisch auch. Die Formel des Antiserums war also das Verbindungsglied zwischen ihnen. Vielleicht wollte jemand, der die Formel des Gegenmittels besaß, alle anderen, von denen er annahm, daß sie die Formel kannten, eliminieren. Oder vielleicht wollte jemand, daß man das Gegenmittel nie anwenden könnte. Aber warum? Er konnte sich nicht vorstellen, wer dazu fähig wäre. Er wußte nur, daß die Aufklärungsabteilung ihre Hände im Spiel hatte.
    |144| Plötzlich fiel ihm Nelli ein, und sofort kehrte die Panik zurück. Wenn er immer nur grübelte und sich den Kopf über seine Lage zerbrach, würde das nicht weiterhelfen. Jetzt mußte er sich auf das Wesentliche konzentrieren, den Kampf ums Überleben. Daß Nelli und Marketta in Sicherheit waren, konnte er nur hoffen. Er spürte das brennende Verlangen, die Stimme seiner Tochter zu hören, beschloß aber, erst etwas später anzurufen. Nachdem er Hilfe gefunden hatte.
    Beim Warten auf Liisa hatte Ratamo in der Kneipe mechanisch die Abendzeitung »Iltalehti« durchblättert und dabei so etwas wie eine Idee gehabt. Er mußte dafür sorgen, daß in der Öffentlichkeit über diese Ereignisse gesprochen wurde, weil er von den Behörden keine Hilfe erwarten konnte. Beim Fernsehen gab es kompetente investigative Reporter, die dann und wann die Finnen mit ihren Enthüllungen schockierten. Er hatte jedoch Bedenken, das Fernsehen in die Sache hineinzuziehen. Wollte man ihn dann während der ganzen Ermittlungen zu dem Fall filmen? Würde man ihn und Nelli wie Tiere öffentlich zur Schau stellen? Die Presse ließe sich da vielleicht leichter kontrollieren. Die Abendzeitungen könnten schnell auf die Situation reagieren, doch würden sie Interesse an Ermittlungen in einem komplizierten Fall haben, die sich womöglich über Tage hinzogen? Er konnte sich nicht erinnern, in der Boulevardpresse gute Berichte über Verbrechen gelesen zu haben, diese Blätter konzentrierten sich auf kurze Blitznachrichten. Deswegen fürchtete er, daß er sie nicht dazu bewegen konnte, seine Geschichte zu veröffentlichen. Plötzlich fiel ihm Pirkko Jalava von der Zeitschrift »Suomen Kuvalehti« ein. Oft hatte er voller Interesse ihre Artikel gelesen, die Verbindungen von Wirtschaft, Korruption und Kriminalität enthüllten. Man sah den Texten an, daß sich die Frau ernsthaft damit auseinandergesetzt |145| und gründlich recherchiert hatte. Wenn Jalava auf seiner Seite wäre, wüßte sie dann schon, wie man die Nachricht am besten an die Öffentlichkeit brächte, und sie wäre auch in der Lage, die Hintergründe des Falles zu durchleuchten und sich festzubeißen, wenn sie eine Spur fand. Um ein Haar hätte Ratamo einen Freudenschrei ausgestoßen: Jalava war sein Strohhalm.
    Mit großen Schritten lief er die Yrjönkatu entlang. Am Hotel »Torni« blieb er stehen. Im Foyer befand sich vermutlich ein öffentliches Telefon,

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