Finnisches Blut
das sicher auch funktionierte. Er betrat das Hotel, bemerkte aber das Telefon im Windschutz des Haupteinganges nicht, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als an der Rezeption danach zu fragen. Nachdem er die Nummer von »Suomen Kuvalehti« im Telefonbuch gefunden hatte, mußte er entnervend lange warten, bis sich die Zentrale meldete und er darum bitten konnte, mit Pirkko Jalava verbunden zu werden.
Ein freundliches Fräulein in der Vermittlung erklärte ihm, sie sei nicht in ihrem Zimmer, verband ihn aber mit ihrem Handy. Erst nach dem sechsten Ruf meldete sich Pirkko Jalava mit dunkler Stimme.
»Wenn du mir hilfst, bekommst du als Gegenleistung die Story deines Lebens. Im wahrsten Sinne des Wortes«, sagte Ratamo. Er hatte beschlossen, seinen Namen erst zu nennen, wenn er einen Eindruck von der Frau gewonnen hatte und überzeugt war, daß sie ihn nicht für verrückt hielt.
»Entschuldigung, mit wem spreche ich denn da?« fragte Pirkko Jalava ziemlich gleichgültig.
»Man will mir durch eine geschickte Inszenierung die Schuld an zwei Morden in die Schuhe schieben, und das von mir entwickelte Gegenmittel gegen das Ebola-Helsinki-Virus könnte in die falschen Hände gelangen. Der Aufklärungsdienst der Armee |146| weiß von der Sache.« Ratamo faßte seine Informationen und Vermutungen in einem Satz zusammen, um Jalavas Interesse zu wecken, bevor sie einfach auflegte.
»Entschuldige. Aber ich kann dieses Gespräch nicht fortsetzen, wenn du deinen Namen nicht nennst und irgendeine konkrete Information angibst, die ich überprüfen kann. Ich erhalte jeden Tag viele Anrufe, an denen nichts Verwertbares dran ist.«
Ratamo war gezwungen, seine Karten auf den Tisch zu legen. Er sagte seinen Namen und forderte Jalava auf, mit Hilfe ihrer Kontakte herauszufinden, was mit Eero Manneraho und Kaisa Ratamo geschehen war. Dann bat er sie, in einer halben Stunde in den Imbiß im Restaurant des Kaufhauses Stockmann zu kommen, und beschrieb sich, damit sie ihn erkennen konnte. Er wartete auf eine Antwort, aber es war nichts zu hören.
»In dem Imbiß sind immer so viele Leute, daß ich dir da nichts antun kann, falls du das befürchtest. Ich bin nicht irgendein verwirrter Idiot, sondern Wissenschaftler an der Forschungsanstalt für Veterinärmedizin und Lebensmittelprüfung. Das ist die Story deines Lebens und der schlimmste Albtraum meines Lebens«, sagte Ratamo in überzeugendem Ton.
Am anderen Ende der Leitung herrschte immer noch Schweigen.
»Na gut. Ich überprüfe das. Ich habe viele Artikel über dieses Ebola-Virus gelesen, das man in Finnland gefunden hat. Wenn den beiden Personen, die du erwähnt hast, etwas zugestoßen ist und ich das Gefühl habe, daß an dem Fall etwas faul ist, dann komme ich um zwölf in den Stockmann-Imbiß. Weißt du übrigens, wie ich aussehe?« fragte Jalava.
»Nein. In deinen Artikeln war nie ein Foto von dir.«
»Na gut, wenn das so ist, dann suche ich dich.«
|147| Ratamo bat Pirkko Jalava noch, ihm ein Handy und ein paar Kleidungsstücke mitzubringen. Bei einem Anruf von einem öffentlichen Telefon wäre das Risiko sehr groß.
Sie versprach zu prüfen, was sich da machen ließe.
Es war achtundzwanzig Minuten nach elf am Donnerstag.
|148| 26
Vairiala steckte die Nagelfeile in die Tasche seines grauen, abgetragenen Anzugs. Er wartete in seinem asketisch eingerichteten Zimmer darauf, daß Ratamo gefunden wurde, bevor er zu Siren gehen mußte. Auf irgend etwas anderes konnte er sich jetzt ohnehin nicht konzentrieren.
Die Zeit verging so langsam wie in der Schlange am Bankschalter. Plötzlich zerbrach ein Zahnstocher, mit dem er eine Erbsenschale herauspicken wollte, die zwischen den Zähnen steckengeblieben war. Er aß nur donnerstags in der Kantine, weil man die Erbsensuppe für zwölf Finnmark bekam. Die Zahnschmerzen hatten zum Glück aufgehört, dennoch wagte er es nicht, als Nachtisch eine Praline zu essen, obwohl er großen Appetit hatte.
Das Telefon klingelte. Vairiala zuckte zusammen und griff nach dem Hörer wie ein Ertrinkender nach dem Rettungsring. Die Brille, die er auf die Stirn geschoben hatte, fiel auf die Nasenspitze.
»Hier Leppä, grüß dich. Kannst du reden?«
»Natürlich kann ich reden, verdammt noch mal. Stell nicht so blöde Fragen. Was gibt’s?«
»Unsere Kontaktperson im Hotel ›Torni‹ hat Ratamo eben erkannt. Sie sagt, im Foyer stehe ein Mann am Telefon, auf den die Personenbeschreibung der Fahndung genau zutreffen würde.«
|149| »Ist
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