Finnisches Blut
das von Reetta eingestellte thailändische Hausmädchen, hantierte im Flur mit dem Staubsauger. Das Geräusch störte Siren, er konnte sich nicht richtig konzentrieren und schloß deshalb die Tür.
Es war ein hektischer Nachmittag gewesen. Siren hatte die Ebola-Blutröhrchen aus der Aufklärungsabteilung zu sich nach Hause transportieren lassen. Das Gefriergerät, das aussah wie ein Ölfaß und zwei Aluminium-Kühlboxen, so groß wie ein Stück Butter, enthielt, stand in seiner Garage. Seine notwendigsten persönlichen Sachen hatte er in einen Pilotenkoffer aus Leder gepackt.
Auch der neue Laptop war geliefert worden. Seinen alten hatte er sofort nach dem Ausdrucken der Briefe in tausend Stücke zerschlagen. Angeblich konnten Profis aus dem Speicher eines Computers fast alle Dateien herausholen, selbst wenn man sie gelöscht hatte. Sicherheitshalber hatte er die Computerfreaks aus der Abteilung für Informationstechnik beauftragt, ihm ein Gerät zu liefern, das ganz genau dem vorherigen glich. Er wollte sicher sein, daß die Ausführung seines Planes jedenfalls nicht am Computer scheiterte.
|199| Es mußte gewährleistet werden, daß die Viren überlebten. Darüber hätte er fast graue Haare bekommen. Manneraho hat nicht genau gewußt, wie lange man die Blutröhrchen bei Temperaturen, wärmer als einhundertzwanzig Grad minus, aufbewahren konnte, und Siren war kein Weg eingefallen, um das herauszufinden. Also mußte er auf Nummer Sicher gehen. Er hatte zwei Mechanikern aus dem Generalstab befohlen, an dem Gefriergerät eine eigene mobile Energiequelle zu installieren. Das aus mehreren Akkus zusammengebaute Teil konnte die Temperatur auch ohne Netzstrom mindestens für die nächsten achtundvierzig Stunden auf einhundertzwanzig Grad minus halten.
Die Reise nach London würde mühelos und bequem vonstatten gehen. Zu seinem Glück war eine der achtsitzigen Passagiermaschinen vom Typ Learjet 35 der Unterstützungsstaffel der Luftstreitkräfte frei gewesen. Hauptaufgabe der »Fluggesellschaft der Streitkräfte« war es, Menschen und Fracht zu transportieren, aber die Maschinen wurden oft von ranghöheren Militärs als Siren, von Politikern oder Beamten genutzt. Siren hatte die Maschine für neun Uhr bestellt und seine Sekretärin gebeten, die praktischen Vorkehrungen für den Flug von Helsinki-Vantaa nach London zu treffen. Die Reise wäre geheim, allerdings sah sich Siren gezwungen, der Sekretärin des Generalstabschefs Bescheid zu sagen, weil er im Falle einer Krisensituation zu allen Zeiten für seinen Vorgesetzten erreichbar sein mußte. Wenn Vairiala nach ihm fragen würde, sollte seine Sekretärin ihm sagen, er sei für einen Tag zu einer Konferenz gefahren, deren Termin schon seit geraumer Zeit feststand. Er hinterließ bei ihr eine Liste der Personen, deren Anrufe auf sein Handy umgeleitet werden durften.
|200| Siren betrachtete die Familienporträts, die in einer Reihe auf der Fernsehanrichte standen. Er empfand keine Wehmut, obwohl er nun in seinem Leben den letzten Abend in Marjaniemi verbrachte – vielleicht sogar den letzten Abend in Finnland. Als Siiri vor etwa zehn Jahren von zu Hause weggezogen war, wurde das Eigenheim für ihn zu einer trostlosen Nachtherberge. Ihm fiel keine einzige angenehme Erinnerung an die zu zweit mit Reetta verbrachten Jahre ein, sosehr er sich auch mühte. Zum Glück war seine Frau nicht zu Hause. Er freute sich so sehr, sie loszuwerden, daß er sich nicht sicher war, ob er es geschafft hätte, das für sich zu behalten.
Auch Vairiala, diesen Versager, würde er nun seinem Schicksal überlassen. Der vertrödelte die Zeit und hatte Ratamo immer noch nicht gefunden, geschweige denn seine Entführer. Zum Glück lag diese Aufgabe jetzt in kompetenten Händen. Siren hatte Kontakt zu Sergej aufgenommen, dem Chef einer kriminellen Organisation in Moskau. Auf seiner Gehaltsliste standen nach Informationen der Aufklärungsabteilung die härtesten Profikiller der russischen Mafia. Siren hatte am Vormittag dreißigtausend Finnmark auf ein von Sergej angegebenes Konto überwiesen und Fotos von Ratamo in ein Restaurant im Stadtteil Kallio gebracht. Die geringe Honorarsumme amüsierte Siren. Wenn Sergej gewußt hätte, wieviel ihm Ratamos Leben wert war … Viel mehr hätte er allerdings auch nicht zahlen können. Selbst diesen Betrag hatte er teilweise mit der Kreditkarte abheben müssen.
Plötzlich befiel ihn wieder die Angst, gefaßt zu werden. Alles, was nach der Bezahlung der ersten
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