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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Ratamo hoffte, daß er nicht zuviel Kraft angewendet hatte. Jemand zu töten wäre das allerletzte gewesen, was er wollte.
    Aus Richtung der breiten, imposanten Treppe, die vom Foyer nach oben führte, hörte man Laufschritte, die immer lauter wurden. Das waren mehrere Männer. Ratamo sprintete los und steuerte auf die riesige eichene Doppeltür zu. Das mußte der Ausgang sein. Er stieß die Tür auf, kam in einen kleinen Windfang und schob die nächste Doppeltür auf, die nach draußen ins Freie führte. Verdutzt starrte er auf die Tehtaankatu, er stand im Haupteingang der Botschaft der Russischen Föderation.
    »O verdammt, der KGB!«
    Ratamo war so verblüfft, daß er auf der Treppe um ein Haar über seine eigenen Beine gestolpert wäre, doch er behielt das Gleichgewicht und beschleunigte sein Tempo. Wie ein künstlicher Hase beim Windhundrennen raste er über den Hof zu dem Eisenzaun, der das Botschaftsgelände umgab. Er griff nach der oberen Querstrebe und zog sich so weit nach oben, daß er den rechten Fuß auf die Stange stellen konnte. Dann stemmte er sich hoch und sprang behende auf den Fußweg. Zum Glück patrouillierte vor der Botschaft keine Polizeistreife mehr wie zu den Zeiten der Sowjetunion.
    Ratamo rannte um sein Leben. Er lief in Richtung Westen, durchquerte einen Park und dann noch eine Grünanlage. Die Erben des KGB wären ihm bald auf den Fersen. Der Gedanke ließ ihn das Tempo noch erhöhen. Ziellos jagte er durch die Vuorimiehenkatu, plötzlich hörte er hinter sich quietschende Reifen. Er schaute sich um und erblickte den vertrauten |208| schwarzen Mercedes. Das Auto näherte sich in hohem Tempo, mußte aber an der nächsten Straßenkreuzung kurz die Geschwindigkeit drosseln und war noch weit entfernt. Ratamo wandte sich nach rechts und raste auf der Laivurinkatu in Richtung Viiskulma. Er bekam kaum noch Luft, und das Herz sprengte ihm fast die Brust. Der Mercedes bog in die Laivurinkatu ein und war noch etwa hundertfünfzig Meter entfernt, als Ratamo die nächste Kreuzung erreichte. Im selben Augenblick sah er, wie ein Bus der Linie 14 vor ihm auf die Fredrikinkatu kurvte und an einer Haltestelle stoppte. Er war nur fünfzig Meter entfernt, und der schwarze Mercedes kam immer näher. Ratamo winkte, damit der Bus auf ihn wartete.
    Als er durch die Hintertür in den Bus sprang, war der Mercedes nur noch ein paar Meter entfernt. Er beugte sich vor und atmete ein dutzendmal tief durch, danach war er in der Lage, schwankend nach vorn zu gehen und zu bezahlen. Er schaute den jungen Busfahrer an wie einen Messias. Der Mann hörte in der Fahrerkabine ganz konzentriert Musik, die viel zu laut aus dem Radio dröhnte.
    Ratamo setzte sich in der Mitte des Busses an den Gang, wo er den Mercedes im Blickfeld hatte, der ihnen folgte. Er überlegte fieberhaft, wie er den Bus verlassen könnte, ohne den Russen in die Hände zu fallen. Die Panik erschwerte das Denken. Er kämpfte um sein Leben.
    Ein paar Minuten später hielt der Bus an der Metrostation Kamppi. Ratamo sprang hinaus, gerade als sich die Türen wieder schlossen, rannte in den Bahnhof hinein und weiter in Richtung der Rolltreppen, die zu den Bahnsteigen führten. Die Männer aus dem Mercedes waren noch nicht zu sehen. Er stürmte mit großen Sätzen so schnell wie möglich die Rolltreppe hinunter und betete, daß ein Zug in eine der beiden |209| Richtungen gerade im richtigen Augenblick einfuhr. Wenn kein Zug kam und der Bahnsteig leer war, wäre er den Russen ausgeliefert. Er spürte die Angst im Bauch.
    Noch auf der Rolltreppe hörte Ratamo das Rauschen eines Metrozuges und fluchte innerlich wie ein Bierkutscher, er würde es auf keinen Fall schaffen. Er rannte die letzten Meter, was die Beine hergaben. Kurz vor dem Bahnsteig warf er einen Blick hinauf zum Anfang der Rolltreppe und sah zwei Männer in schwarzen Anzügen, er konnte gerade noch die blonden Haare erkennen.
    Der Zug in Richtung Ruoholahti ruckte an und gab ein zischendes Geräusch von sich, als Ratamo den Bahnsteig erreichte. Die Fahrer von U-Bahn-Zügen hielten nie noch einmal an, wenn sie losgefahren waren. Auf dem Bahnsteig herrschte gähnende Leere. An der Anzeigetafel in Richtung Hauptbahnhof blinkte die Ziffer Vier. Die Russen würden jeden Augenblick unten ankommen, und es gab hier nicht einen einzigen Augenzeugen. Ratamo sprang auf das Gleis und rannte im Metrotunnel in Richtung Hauptbahnhof. Er hatte etwa drei Minuten Zeit für die knapp tausend Meter. Wenn die Russen auf

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