Finnisches Roulette
Eero, Sami und den Machtkampf um H & S Pharma gedacht. Ihr Leben war aufgeschnitten und in Stücke zerlegt worden wie in einem Thriller von Stephen King. Laura wollte endlich nach Hause, um sich in der Einsamkeit zu verschanzen. Allerdings hatte sie den Verdacht, daß sie sich niemals von den Traumata der letzten Stunden erholen würde. Die Mitschuld an Eeros Tod würde sie bis ans Ende ihrer Tage bereuen. Als es darauf ankam, hatte sie nicht auf der Seite des Schwächeren gestanden, sondern egoistisch ihren eigenen Vorteil gesucht, obwohl Eero ihr wie einst als Kind vertraut hatte.
Die einzige gute Nachricht der letzten sechs Tage war das Scheitern der Bestrebungen Anna Halberstams. Aber die Frau hatte es dennoch geschafft, überlegte Laura voller Verbitterung, Eeros Leben und vielleicht auch ihre und Samis gemeinsame Zukunft zu zerstören. Ratamo, der neben ihr vor sich hin döste, und die ganze Sicherheitspolizei hattengenausowenig helfen können wie alle anderen Polizeibehörden.
Ratamo fuhr aus dem Schlaf hoch, als ein boshafter italienischer Junge versuchte, ihm sein Bonbonpapier ins Nasenloch zu stecken. Ratamo schnappte sich das Papier, stopfte es sich in die Nase und jagte dem Kleinen mit einem lauten Brummen einen Schrecken ein. »Abwechslung macht müde Männer munter«, sagte er zu Laura, da klingelte ihr Handy.
Laura warf einen Blick auf die Nummer des Anrufers, zischte wütend »Sami« und schaltete den Klingelton ab. Über den Mann würde sie später nachdenken, irgendwann. In gewisser Weise war Sami an allem schuld, wenn der Kerl ihr von seinen Schulden erzählt und Konrad Forsters Vorschlag abgelehnt hätte, wäre all das nie passiert. Zumindest ihnen nicht. Laura begriff, daß sie die Schuld auch für ihre eigene Entscheidung auf Sami abwälzte, und gelobte, sich selbst nicht so leicht davonkommen zu lassen.
Sie steckte das Handy wieder in ihre Tasche, in dem Augenblick klingelte es erneut. Diesmal war ihr die Nummer des Anrufers unbekannt. Nach kurzem Zögern meldete sie sich.
Das Blut schoß ihr in den Kopf, als der Anrufer seinen Namen nannte: Konrad Forster. War dieses abartige Spiel immer noch nicht zu Ende?
»Vielleicht haben Sie schon gehört, daß ich in den letzten zehn Jahren der persönliche Assistent Ihrer Tante war«, sagte Forster mit gedämpfter Stimme.
»Was heißt hier war? Sind Sie rausgeflogen?« schnauzte Laura ihn an.
»Ihre Tante ist heute früh gestorben.«
Die Nachricht berührte Laura nicht im mindesten. Sie hatte wegen Anna ihre Kindheit, ihren Bruder und gewissermaßen auch ihren Mann verloren. Zu ihrer Überraschungspürte Laura sogar eine Art Genugtuung. »Dann hat sich der Kreis ja geschlossen. Das Böse hat seinen Lohn, seine Strafe, bekommen«, murmelte sie kaum hörbar.
»Sabine Halberstam und Saul Agron bekommen ihren Lohn nur, wenn Sie es wollen.« Forsters Stimme wurde lauter. Seiner Meinung nach habe Oberst Agron die Mordversuche an Eero und Laura mit Sabines Hilfe geplant. Wenn Sabine ihre Tante beerbte, gelänge Oberst Agrons Plan. Annas Aktien würden dann in den Besitz seiner Familie übergehen, denn Agrons Sohn und Sabine waren verheiratet.
Laura hatte genug. »Was zum Teufel kann ich da tun? Gibt es in Deutschland keine Polizei?«
Ratamo bedeutete Laura durch eine Geste, sie solle das Telefon so drehen, daß er mithören konnte.
»Sie sind Anna Halberstams einzige lebende Verwandte. Ich bin im Besitz ihres Testaments, und ich beabsichtige, es Ihnen zu übergeben. Es liegt dann in Ihrer Hand, wer die Entscheidungsgewalt bei H & S Pharma erhält. Sie können das Testament entweder vernichten oder Sabine Halberstam geben. Das Erbe Ihrer Tante geht entweder an Sie oder an Sabine. Wo sind Sie?«
»Auf dem Flughafen von Verona.« Laura dachte über das nach, was sie eben gehört hatte, und starrte auf die Anzeigetafel der abgehenden Flüge, ohne etwas zu sehen.
»Fliegen Sie sofort nach Frankfurt und steigen Sie im Hotel ›Hessischer Hof‹ ab. Niemand weiß, daß ich Ihnen das Testament übergeben will, Sie sind also hier vollkommen in Sicherheit. Ich organisiere eine Versammlung der Aktienbesitzer von H & S Pharma«, sagte Forster. Er vergewisserte sich noch einmal, daß Laura seine Anweisungen verstanden hatte, und beendete das Telefonat.
Laura erklärte Ratamo den ersten Teil des Gesprächs. »Für mich ist die Sache erledigt und vorbei. Ich kann nicht mehr«, klagte sie. Jetzt war Ratamos Handy an der Reihe.
Jussi Ketonen rief an, er
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