Finnisches Roulette
übergeben, deswegen erhielt sie sicherheitshalber einen Polizisten als Begleitschutz.
Laura starrte auf die Landschaft, die draußen vorüberflog, und fuhr mit der Hand durch ihre Rastalocken. Sie hatte sich entschlossen, ihre Angst noch einmal zu überwinden und nach Frankfurt zu fliegen, das glaubte sie Eero schuldig zu sein. Das Testament wollte sie nur, damit Eeros Mörder es nicht bekam. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was sie damit anfangen sollte. H & S Pharma interessierte sie überhaupt nicht. Die Angst brodelte in ihr, obwohl nur Konrad Forster und die Polizei von ihrer Reise nach Frankfurt wußten. Und außer Forster wollte niemand mehr etwas von ihr. Doch wenn er in der Lage war, sie ausfindig zu machen, dann könnte das auch jemand anders schaffen. Laura hatte auf dem Flughafen in Verona einen Schokoriegel und einen englischsprachigen Krimi gekauft, beides holte sie nun aus ihrer Tasche, nur um einer Unterhaltung aus dem Weg zu gehen. Die Sehnsucht nach Sami hatte sich in Trauer verwandelt, das Vertrauen dürfte für alle Ewigkeit verloren sein.
Ratamo warf einen Blick auf Lauras Profil und überlegte, ob er mit seiner Zusicherung, sie würde in Frankfurt nicht einen einzigen Schuß hören, zuviel versprochen hatte. Seit Laura sich für die Reise nach Frankfurt entschieden und in der Maschine eine Weile geschlafen hatte, war sie ein anderer Mensch, sie wirkte frisch und munter und entschlossen. Doch irgend etwas an Lauras plötzlicher Verwandlung von der gramgebeugten Angehörigen zur gelassenen Ermittlerassistentin störte Ratamo. Auch Eeros Tod schien Lauranicht mehr zu belasten, verheimlichte sie wieder etwas? Immerhin hatte Saara Lukkari bestätigt, daß Juha Hautala nicht in die Verbrechen der letzten Tage verwickelt war.
Sie setzten Laura Rossi und einen jungen Polizisten in Uniform am Hotel »Hessischer Hof« ab, und eine Viertelstunde später hielt der Streifenwagen in der Adickesallee vor dem Frankfurter Polizeipräsidium. Die Größe des Gebäudes verblüffte Ratamo. Das moderne, flache Bürohaus schien sich über Dutzende Meter in alle Richtungen zu erstrecken. An einem Metallschild neben dem Haupteingang las Ratamo: »Polizeipräsidium Frankfurt am Main«. Er ging zum Diensthabenden und sagte ihm seinen Namen und den seines Gastgebers, die Uhr an der Wand zeigte genau dreizehn Uhr. Der Polizist rief irgendwo an und ließ den Gast ins Foyer, wo er warten sollte.
Ratamo schob sich einen Priem hinter die Oberlippe und beobachtete neugierig die Kundschaft: Man sah mehr Ausländer als Einheimische, und die erweiterten Pupillen eines Teenagers mit unreiner Haut verrieten, daß er Drogen genommen hatte. Plötzlich dröhnte der Fußboden, als ein junger Mann mit Kopftuch und Pferdeschwanz zwischen zwei Polizisten, die ihn im Armhebel hielten, zerrte und brüllte. Interessante Leute, dachte Ratamo, wie immer auf Polizeiwachen.
Eine Minute später traf der BND-Ermittler Jürgen Brauer im Foyer ein. Der dunkle Anzug des großgewachsenen Mannes saß tadellos, und die weinrote Krawatte paßte zum blauen Hemd. Die Männer stellten sich einander vor und gaben sich die Hand. Sie vereinbarten, englisch zu sprechen, und tauschten die obligatorischen Höflichkeiten aus. Ratamo spürte sofort, daß er mit Brauer auskommen würde, obgleich der Schnurrbart des Mannes an einen Tiroler Uhrmacher erinnerte.
Der Deutsche führte Ratamo die breite Treppe hinaufund erzählte, daß die verschiedenen deutschen Behörden für die Ermittlungen im Fall H & S Pharma einen gemeinsamen Stab gegründet hatten, der sich in den Räumen der Frankfurter Polizei befand. Die Spitzenelektronik und die großen Räume des neuen Gebäudes suchten laut Brauer in Deutschland ihresgleichen.
Im großen Beratungsraum der ersten Etage warteten zwei Polizisten mit ernsten Mienen und eine gewaltige Menge Elektronik. Die Sonne schien glühend heiß auf die Fenster, das Surren einer Klimaanlage war nicht zu hören, und die Computer bliesen warme Luft in den Raum. Es roch nach Strom. Brauer war es sichtlich peinlich, als er sich für den Defekt der Klimaanlage entschuldigte. Er stellte seine Kollegen vor: Inge Würth arbeitete im BKA und Uwe Krüger bei der Frankfurter Kriminalpolizei.
»Vielleicht informieren wir dich zuerst über die aktuelle Lage, damit du auf dem laufenden bist«, sagte Brauer und strich über seinen Schnurrbart. »Am Vormittag haben wir Saul Agron verhört, das Ergebnis war dürftig. Er hat mit seinem Anwalt
Weitere Kostenlose Bücher