Finnisches Roulette
berichtete von Oberst Agron und Ratamo von Forsters Anruf.
Ketonen überschaute die Situation sofort. »Sabine Halberstam beerbt also Anna, wenn das Testament vollstreckt wird?«
»So habe ich es verstanden.«
Ketonen pfiff leise. »Oberst Agron hat einen Weg gefunden, wie er in den Besitz des Pharmaunternehmens gelangen kann. Aber wonach zum Kuckuck hat er so ein brennendes Verlangen, daß er einen derartigen Plan ausgeheckt hat?«
Ratamo wollte antworten, aber der Chef redete schon weiter. »Nehmt die nächste Maschine nach Frankfurt. Der Schwerpunkt der Ermittlungen liegt jetzt ganz in Deutschland. Wir sind Statisten und helfen, so gut wir können«, befahl Ketonen.
Ratamo trat ein paar Schritte zur Seite, damit Laura ihn nicht hören konnte, und blieb vor einem Getränkeautomat stehen, den zwei Teenager ankippten, wohl in der Hoffnung auf eine kostenlose Limonade. »Laura hat anscheinend genug von alledem. Sie will nicht nach Deutschland fliegen.« Ratamo sagte, er könne die Frau verstehen, und das stimmte, er hatte selbst große Mühe, die Erinnerung an den Pistolenlauf an seiner Schläfe in Schach zu halten.
»Das muß aber sein«, erwiderte Jussi Ketonen schroff. »In diese Geschichte sind jetzt schon der Nahe Osten und sogar die Biowaffenfabriken verwickelt. Rate mal spaßeshalber, ob die Deutschen wissen wollen, warum Oberst Agron versucht, H & S Pharma zu erobern. Das Durcheinander um das Testament verschafft uns zusätzliche Zeit für die Ermittlungen.«
44
Die Hüften der jungen Frau wurden durch die Linsen des Fernglases vergrößert, so daß der Mann ihren rhythmisch wiegenden Gang betrachten konnte. Eine Daumenbreite nördlich der engen Jeansshorts rückte ein Top ins Blickfeld, für das man weniger Stoff verwendet hatte als für die meisten Bikini-Oberteile. Die Hitze war der Freund des Voyeurs.
Oberst Saul Agron stand am Fenster seines Arbeitszimmers im fünfzigsten Stockwerk und beobachtete mit dem Zeiss-Armeefeldstecher Frauen auf der Uferpromenade am Main, der einen halben Kilometer entfernt durch die Stadt floß. Die Klimaanlage blies kühle Luft auf seine Arme, so daß deren Haare zu Berge standen. Abgesehen von den Rangabzeichen trug er die gleiche Kleidung wie zu Armeezeiten.
Allmählich reichte es dem Oberst. Die Identifizierung der Leiche von Rafi Ben-Ami hatte den Bundesnachrichtendienst auf seine Spur geführt. Am Morgen hatte er den Ermittlern des BND stundenlang versichert, daß er nichts von den Mordversuchen in Kraków und Verona oder den Tätern wußte. Als Soldat war es Agron gewöhnt, Strategien zu planen und an der Taktik zu feilen, doch beim Militär wurden die dann mit Gewalt und Getöse umgesetzt. Nur die Schwachen bremsten im Ernstfall. Es brachte ihn in Rage, daß der Plan zur Eroberung von Genefab diskret und vorsichtig umgesetzt werden mußte. Genau deshalb stieß er bei der Operation immer dann auf unvorhergesehene Schwierigkeiten, wenn er schon glaubte, den Sieg in der Hand zu haben. So wie heute morgen. Der Tod Anna Halberstams und die Verkündung ihres Testaments sollten das Ende des Kampfes um H & S Pharma sein, aber Konrad Forsters Diebstahl brachte alles durcheinander. Jetzt wurde der Mann gejagt. Warum hatte er das Testament gestohlen? VerfolgteForster einen eigenen Plan? War er es, der die Mordversuche an Eero Ojala und Laura Rossi verhindert hatte?
Der Feldstecher flog auf das Ledersofa, und der Oberst versuchte sich zu beruhigen. Es ärgerte ihn maßlos, daß die erfolgreiche Ausführung des unsichersten Teils der ganzen Operation, des Selbstmordes von Anna Halberstam, doch nicht den endgültigen Sieg gebracht hatte.
Die Tür flog auf, und Sabine Halberstam kam erbost hereingestürmt. Die Sekretärin Oberst Agrons stand verwirrt auf der Schwelle und hob die Arme.
»Anscheinend hast du nicht bedacht, daß Konrad Forster versuchen könnte, etwas zu unternehmen?« fuhr Sabine ihn an.
Der Oberst bedeutete ihr durch eine beruhigende Handbewegung, Platz zu nehmen, und beobachtete seine aufgebrachte Schwiegertochter. Durch den Haarknoten wirkten Sabines Augenbrauen schräg wie bei einer Katze. Das blaue Seidenhemd umspielte die Rundung ihrer Brüste. Ehud war ein Glückspilz, denn er hatte eine schöne, intelligente und wortgewandte Frau gefunden, wenn Sabines Temperament auch manchmal überschäumte. »Wir werden den Idioten schon aufspüren. Verdächtigt uns Forster?«
»Er verdächtigt uns nicht, sondern er weiß es. Das ist mir klargeworden, als wir
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