Finnisches Roulette
Minuten in aller Ruhe mit de Lange, bis er zu der Überzeugung gelangte, daß alles in Ordnung war.
»Tot siens«,
sagte de Lange zum Abschied in Afrikaans.
Die Abenddämmerung im Ostpark dauerte an, es war schon kurz vor neun Uhr, aber am Horizont wehrte sich die Sonne noch immer gegen ihren Untergang. Magadla hatte schon vielerlei Abende erlebt: In Afrika verlief die Dämmerung rasch, und in Nordschweden wartete man im Hochsommer vergeblich auf die Dunkelheit. Magadla mußte lächeln, als er sah, wie sich ein junges Pärchen im Park eine ruhige Ecke suchte.
Nur Nelson kannte die gesamte Konstellation und alle Zusammenhänge. Er wußte, was die anderen Kontrahenten im Ringen um das Pharmaunternehmen planten, also Oberst Agron und die kranke Vogelfrau Anna Halberstam mit ihrem seltsamen Assistenten Konrad Forster. Der Kampf um H & S Pharma und vor allem um Genefab hatte begonnen. Masilo Magadla würde sein Bestes geben, damit Nelson ihn gewann.
SONNTAG
10
Laura Rossi berührte mit der Nasenspitze die Fensterscheibe, als die Maschine der Eurolot über Kraków zum Landeanflug ansetzte. Am Rande der Stadt stieg Rauch aus den Fabrikschornsteinen auf, und die heruntergekommenen Wohnblöcke gliederten die Landschaft wie riesige Dominosteine auf. Laut Prospekt der Fluggesellschaft sollte Kraków eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Städte Europas sein.
Laura war müde und nervös. Sie holte einen Schokoriegel aus der Tasche, weil es an ihren Fingernägeln nichts mehr zu knabbern gab, und rieb sich dann die tonnenschweren Augenlider. Sie hatte im Hotel »Vera Orbis« in der Nähe des Warschauer Flughafens nur wenig und unruhig geschlafen. In der Kürze der Zeit hatte sich kein Direktflug von Helsinki nach Kraków gefunden. Vor Aufregung und Angst klopfte sie mit den Füßen auf den Boden, aber die Gefahr, Sami zu verlieren, zwang sie, wie einst das wutverzerrte Gesicht ihrer Mutter, stark zu sein.
Laura fühlte sich schutzlos und unsicher. Sie reiste hierher, um einen unbekannten polnischen Erpresser zu treffen, einen Mann, der in der einen oder anderen Weise für Dietmar Berningers Tod verantwortlich sein mußte. Immerhin wußte sie jetzt, daß Sami kein Mörder war. Sie schämte sich, daß sie ihren Mann verdächtigt hatte. Das Wissen um Samis Unschuld gab ihr auch die Kraft, die neueste Wendung zu ertragen: Am Morgen hatte Laura von der Polizei erfahren, daß Sami wegen Mordverdachts verhaftet und insUntersuchungsgefängnis von Vantaa gebracht worden war. Wie würde Sami das alles aushalten, warum durfte sie immer noch nicht mit ihrem Mann sprechen? Zu Mitleid und Angst gesellte sich die Sehnsucht.
Die Paßkontrolle auf dem kleinen Flughafen Balice verlief schnell, und auf das Gepäck brauchte Laura nicht zu warten, denn sie hatte nur eine kleine Schultertasche mitgenommen. An der Touristeninformation kaufte sie sich einen Stadtplan von Kraków, suchte die Straße, die Jerzy Milewics als Adresse seines Büros angegeben hatte, und hielt Ausschau nach einem Taxistand. Sie stellte sich gerade zur rechten Zeit an, vor ihr warteten nur zwei Personen, aber hinter ihr wurde die Schlange rasch immer länger. Laura spürte den Morgen heiß und feucht auf ihrer Haut, ein Gewitter bahnte sich an. Kurz entschlossen holte sie aus ihrer Tasche einen Haargummi und band ihre Rastalocken zum Pferdeschwanz.
Ein paar Minuten später setzte sich Laura in einen alten Peugeot und sagte dem Fahrer die Adresse:
»Ah, Kazimierz«
, bestätigte der Mann, trat aufs Gaspedal, und die Rostlaube setzte sich in Bewegung.
Wim de Lange, der in der Schlange hinter Laura gestanden hatte, lief mit großen Schritten zwischen den Verkaufsständen hindurch zum Parkplatz und setzte sich in einen Audi, der im Leerlauf surrte. Der Fahrer folgte Lauras Taxi, und de Lange erteilte den Männern im zweiten Wagen der Sicherungsgruppe Anweisungen. In beiden Autos saßen drei breitschultrige Südafrikaner mit Bürstenhaarschnitt in Bomberjacken, im Ohr trugen sie Knopfhörer.
Viele Fragen schossen Laura durch den Kopf. Wer war Jerzy Milewics? Sie fürchtete, daß sich Sami während der Jahre in Mitteleuropa auf irgend etwas Illegales eingelassen hatte. Er war viel zu gutgläubig, auch ein bißchen kindisch und versessen auf leichtverdientes Geld. Was man von ihrwollte, das wußte Laura genau, es hing mit ihrem anderen Geheimnis zusammen.
Das Taxi hielt auf einem Platz an. Der Fahrer wies mit der Hand in Richtung einer Gasse, die auf der Ostseite
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