Finnisches Roulette
alles, soweit es von ihm abhing, millimetergenau funktionieren und nichts schiefgehen würde. Er trug die Verantwortung für die Regelung der praktischen Fragen bei der Eroberung von H & S Pharma.
Magadla war am Gründungstag Mitglied von »African Power« geworden, das lag fast zehn Jahre zurück. Entstanden war die Organisation auf Initiative jener Aktivisten des Afrikanischen Nationalkongresses, die nach ihrem erfolgreichen Kampf zur Befreiung Südafrikas von der Apartheid den anderen afrikanischen Staaten helfen wollten. »African Power« zog Hunderte Intellektuelle und Radikale aus dem Teil Afrikas südlich der Sahara an. Das waren Menschen, die für ihre Grundsätze und Träume lebten. Die Aufgabe im Zusammenhang mit H & S Pharma hatte Magadla erhalten, weil er über gute Sprachkenntnisse verfügte, Arzt war und Europa gut kannte.
Das Telefon vibrierte in seiner Brusttasche, die Nummer war die von Nelson, dem Mann, dem er in allem gehorchen mußte. Dank Nelsons Plan würde »African Power« das Pharmaunternehmen erobern.
»Ist alles in Ordnung für Kraków?« fragte Nelson auf englisch.
»Ja. Ich werde gleich den Chef der Sicherungsgruppe anrufen, um mir das noch einmal bestätigen zu lassen«, berichteteMagadla. Nelson beendete das Gespräch abrupt. Der Mann war kein Schwätzer und sagte kein Wort zuviel, dachte Magadla verwundert und überlegte einmal mehr, aus welchem Land Nelson wohl stammen mochte. Eines wußte Magadla, Englisch war nicht Nelsons Muttersprache. Er fand es auch verwunderlich, daß er den Schöpfer des Planes immer noch nicht hatte treffen dürfen. Der Mann wurde wegen der auf ihn gerichteten Erwartungen Nelson genannt: Wenn die Eroberung von H & S Pharma gelänge, würde Nelson noch mehr verehrt werden als sein Namensvetter, und Dutzende Millionen Afrikaner wären dem Mann dankbar.
Irgend jemand schaltete die Stereoanlage ein.
Links um, rechts um, schallt es schroff über den Kasernenhof. Grau in grau, wohin i schau
… Magadla ärgerte sich, daß die Stimmung im »Abessinia« durch einen Schlager verdorben wurde.
Er war ungeheuer stolz auf seine Aufgabe und deren Zweck. Nach der Eroberung von H & S Pharma könnte »African Power« das M-38, ein von der Firma kürzlich durch ein Patent geschütztes Malaria-Medikament einer neuen Generation, und einen Malaria-Impfstoff, der kurz vor der Fertigstellung stand, allen afrikanischen Staaten zur freien Verwendung überlassen. Die Malaria tötete jedes Jahr fast eine Million Afrikaner, meistens Kinder.
Der Hauptgrund, warum H & S Pharma erobert werden sollte, war jedoch Aids. Das Pharmaunternehmen hatte gerade das neue, revolutionäre Aids-Medikament T-1000 auf den Markt gebracht, und der von der Firma entwickelte Aids-Impfstoff wurde schon an Menschen getestet. Auf diese beiden Stoffe hatte es »African Power« abgesehen. Und der Grund dafür war verständlich: Über dreißig Millionen Afrikaner waren HIV-positiv, und von den zwei Millionen Afrikanern, die im letzten Jahr an Aids starben, waren nur dreißigtausend gegen die Krankheit behandeltworden. Das Problem nahm in einem beängstigenden Tempo solche Ausmaße an, daß es schon ganze Länder lahmzulegen drohte.
Die Afrikaner konnten sich neue Medikamente nicht leisten, auch nicht jene Billigkopien, die künftig irgendwann auf den Markt kommen sollten. Für die afrikanischen Staaten war es gleichgültig, ob die Jahresdosis eines Aids-Medikamentes für einen Menschen siebenhundert oder siebentausend Dollar kostete, denn sie gaben für das Gesundheitswesen lediglich zehn Dollar pro Person und Jahr aus. Magadla wußte nur allzu gut über HIV und Aids Bescheid, er war selbst schon das dritte Jahr HIV-positiv. Aber er konnte sich immerhin ordentliche Medikamente leisten.
Für »African Power« und Masilo Magadla war das Maß voll. Fast jeder Todesfall wegen Aids oder Malaria in Afrika könnte verhindert werden, wenn die Kranken die bestmöglichen Medikamente erhielten. Bald wäre es soweit, dafür würde »African Power« sorgen. Nelsons Plan der Eroberung von H & S Pharma würde in den kommenden Jahren das Leben von Hunderttausenden, ja sogar Millionen Afrikanern retten. Da die westlichen Staaten nun einmal kein Interesse zeigten, den Afrikanern zu helfen, mußten die sich selbst helfen. Ganz Afrika sollte von der Tyrannei der westlichen Länder befreit werden, so wie Südafrika von der Apartheid befreit worden war. Wenn das nicht mit den friedlichen Mitteln gelang, die Magadla und seine
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