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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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irgend etwas schiefging. Cavanna hatte ihm doch erklärt, daß der Verkäufer des Gemäldes fürchtete, die Öffentlichkeit könne von seinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten erfahren, wenn das »Mädchen auf dem Sofa« versteigert würde.
    Die sechs Reisenden in dem vollbesetzten Abteil litten unter der stickigen Hitze, weil eine resolute schwarzgekleidete Nonne gleich am Anfang einen jungen Italiener barsch angefahren hatte, als der das Fenster einen Spaltbreit öffnen wollte. Einen zweiten Versuch hatte keiner gewagt. Ojala beklagte sich nicht, er würde lieber auf den Spitzen einer Mistgabel mitten in glühender Lava sitzen als im Flugzeug. Schweißtropfen rannen aus den kurzgeschnittenen Haaren ins Genick, sein Hemdkragen war schon ganz feucht.
    Ein delikater Duft von Salami und Käse zog durch das Abteil, als ein italienisches Mädchen am Fenster ein belegtes Panino auswickelte. Ojala knurrte der Magen, er hatte seit dem Frühstück um sechs nicht einen Krümel gegessen.Müßte er Anna Halberstam dankbar sein, wenn es ihm gelänge, das »Mädchen auf dem Sofa« zu kaufen? Jedenfalls würde er Laura alles erzählen. Seine Schwester hatte wegen Anna am allermeisten gelitten. In all den Jahren hatte die Mutter ihren Haß an Laura ausgelassen. Es erschien unbegreiflich, daß Anna, die sein Zuhause zerstört hatte, nun möglicherweise seine Wohltäterin wurde. Ohne Anna hätte er die Aktien des Pharmaunternehmens nicht von Werner Halberstam geerbt, und ohne sein Erbe könnte er das Gemälde nicht kaufen. Aber würden die Aktien reichen? Ojala dachte an die Gemälde Ellis, die in den letzten Jahren verkauft worden waren: »Die gerissene Saite«, »Der Alarm«, »Das störrische Mädchen«, »Hjördis«, »Meine Mutter«, das Selbstbildnis »Licht und Schatten«, der Entwurf der »Ballschuhe«, »Karin«, »Das Mädchen mit dem blauen Band« und »Die Geschwister« … Wie viele hunderttausend Euro würde der Eigentümer für das »Mädchen auf dem Sofa« verlangen?
    Der Zug hielt mit quietschenden Bremsen auf dem Bahnhof Porta Nuova in Verona. Ojala folgte den Schildern, die den Weg zum Ausgang wiesen, er ging durch einen Tunnel mit Geschäften und Cafés, stieg die Treppen hinauf und sah vor dem Haupteingang des Bahnhofs eine Reihe Taxis, die auf Kunden warteten. Dem Fahrer des ersten Taxis streckte er einen zerknitterten Zettel hin, auf dem die Adresse der Galleria dello Scudo stand.
    »Via Scudo di Francia. Grazie«,
sagte der nach Zigaretten und Knoblauch stinkende Fahrer, und dann durfte sich Ojala einen von energischen Gesten begleiteten Redeschwall anhören. Der Mann verlangsamte sein Sprechtempo auch dann nicht nennenswert, als Ojala in englisch darauf hinwies, daß er kein Italienisch verstand.
    Das Taxi fuhr zunächst eine breite Straße entlang, tauchte dann durch ein Tor in der Stadtmauer ins Zentrumund raste viel zu schnell unter dem großen Gewölbebogen hindurch ins Herz von Verona. Das schöne Amphitheater Arena sah wie ein Modell des Kolosseums in Rom aus. Der Fahrer bog nach links und kurz darauf nach rechts ab. Auf einem Straßenschild las Ojala den Namen Corso Cavour, links war der Fluß Adige zu sehen und kurz danach ein prächtiges frühmittelalterliches Schloß mit seinen Wallgräben. Die Straße führte nach links zu einer Brücke, aber der Fahrer lenkte seine Karre nach rechts, schlängelte sich ein paar hundert Meter durch eine enge Gasse und hielt schließlich an.
    »Numero due …«,
sagte der Taxifahrer und wies in Richtung der Gasse.
    Die roten Ziffern des Taxameters zeigten sieben Euro achtzig an. Ojala hielt dem Fahrer einen Zehn-Euro-Schein hin, ließ ihn aber vor Aufregung zwischen die Sitze fallen. Das Geld fand sich schließlich, begleitet von giftigen Kommentaren des Italieners. Ojala wartete nicht auf das Wechselgeld, sondern zerrte hastig an allem, was an der Tür herausragte, bis er endlich die Klinke fand. Gleich würde er das »Mädchen auf dem Sofa« sehen!
    Die Via Scudo di Francia war eine schmale, von alten Gebäuden gesäumte Gasse mit glatt geschliffenem Kopfsteinpflaster. Ojala warf einen Blick auf sein Spiegelbild im Schaufenster eines Bekleidungsgeschäftes und überlegte, ob er wirklich immer so aussah, als hätte man sein Lieblingsmeerschweinchen gerade erhängt. Das hatte zumindest Karoliina vor langer Zeit einmal behauptet.
    Ojala hielt Ausschau nach den Hausnummern, sah vor sich die Nummer 8 und ging zögernd weiter. Das nächste Haus war die 6, die Richtung

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