Finnisches Roulette
muß ja einen Grund dafür geben, daß Sie sich die Mühe machen, Hunderte Kilometer von Pullach bis hierher zu fahren.«
Brauer überlegte, ob viele Frauen wußten, wo die Schaltzentrale des BND lag. »Wie Sie vielleicht schon gehört haben, starb am letzten Freitag das ehemalige Vorstandsmitglied von H & S Pharma Dietmar Berninger … unter ungeklärten Umständen in Helsinki, in Finnland«, sagte Brauer. Sabine Halberstam reagierte überhaupt nicht auf diese Feststellung, sondern schien zu warten, daß der Polizist zur Sache kam.
»Kannten Sie Berninger gut?« fragte Brauer.
»Wir haben uns gelegentlich bei meinem Onkel zu Hause und auf Partys zufällig getroffen, aber ich weiß natürlich von dem Mord, der ist ja spaltenweise in der ›Allgemeinen‹, in der ›Neuen Presse‹ und der ›Rundschau‹ durchgehechelt worden.«
Brauer schrieb etwas in sein Notizbuch. »Ich möchte mit Ihnen über die Reorganisation reden, die in der letzten Zeit in Ihrem Unternehmen stattgefunden hat …«
»Ja?« Sabine Halberstam schlug ihre langen Beine übereinander, brachte ihren Haarknoten in Ordnung und schaute den Ermittler kühl an.
Brauer entschloß sich, sofort zum Wichtigsten zu kommen. »Streben Sie die Aktienmehrheit bei H & S Pharma an?« Er musterte die Schnitzereien, die auf dem Fensterbrett standen.
Sabine Halberstam entfuhr ein kurzes, trockenes Lachen.»Die Mehrheit? Mir gehören armselige fünf Aktien, und auch die habe ich erst kürzlich von meinem Onkel Werner geerbt. Anna Halberstam besitzt fast fünftausend Aktien, genau wie Future Ltd.«
Brauer hatte allmählich das Gefühl, daß Sabine Halberstam das ganze Gespräch für einen Witz hielt. »Glauben Sie, daß Anna Halberstam oder Future Ltd. die Aktienmehrheit anstreben?«
»Das weiß ich nicht. Ich könnte mir vorstellen, daß beide ein paar Aktien mehr haben möchten, denn in diesem Unternehmen kann der Besitzer der Aktienmehrheit alle Entscheidungen allein treffen. Deswegen wurde das Unternehmen seinerzeit in Panama registriert.« Sabine stand vom Sofa auf und verschwand ohne Erklärung. Wenig später kehrte sie mit einem Glas Juice ins Wohnzimmer zurück.
Frustriert stellte Brauer fest, daß aus der Frau nichts herauszubekommen war. »Gibt es in der Leitung des Unternehmens … Konflikte wegen der kürzlichen Änderungen der Besitzverhältnisse?«
»Bis jetzt nicht. Es wurde noch nicht einmal eine Hauptversammlung einberufen.«
Brauer überlegte genau, wie er die nächste Frage formulieren sollte. »Hat Anna Halberstam oder jemand … in deren Auftrag erkundet, ob Sie bereit wären, Ihre Aktien zu verkaufen?«
Jetzt hielt Sabine Halberstam ihr Lachen nicht mehr zurück, es sprudelte laut aus ihr heraus und füllte das ganze geräumige Wohnzimmer. »Anna weiß, daß ich in andere Forschungsziele investieren will als sie. Unsere Beziehungen sind … abgebrochen. Offen gesagt, Anna ist sehr krank. Zusätzlich zu ALS leidet sie unter Depressionen und hegt Zukunftsvisionen, die so phantasievoll sind, daß auch die Biotechnologie sie in den nächsten Jahrzehnten nicht verwirklichen kann.«
Die Antworten der Frau kamen fast zu schnell und flüssig, fand Brauer. »Was ist Ihr Verantwortungsbereich bei H & S Pharma?« fragte er schroff.
In Sabine Halberstams Augen leuchtete ein Funken der Begeisterung auf, als sie von der Erforschung der Kinderlosigkeit und den Behandlungsmethoden erzählte. Zum Schluß äußerte sie ihr Bedauern darüber, daß Genefab in den letzten Jahren gezwungen gewesen sei, in verschiedenen Teilen der Welt Forschungsinstitute und Schwesterunternehmen zu gründen, weil die Gesetze in Deutschland zur Embryoforschung so streng waren. Alle Forschungsdaten wurden jedoch am Stammsitz von Genefab in Frankfurt zusammengefaßt.
Brauer blätterte in seinem Notizbuch. »Kennen Sie Laura Rossi oder Eero Ojala?«
»Ich kenne sie nicht, aber ich weiß, daß Werner beiden jeweils fünf Aktien hinterlassen hat. Sie sind die Kinder von Anna Halberstams Schwester.«
»Sind Sie bestrebt, die Aktien von Rossi und Ojala zu bekommen?« fragte Brauer nach.
Auf Sabine Halberstams Stirn erschienen Falten. »Welchen Nutzen hätte das? Ich würde nur fünfzehn Aktien von zehntausend besitzen und wäre immer noch eine Kleinaktionärin. Außerdem können die beiden mir ihre Aktien gar nicht verkaufen, sie dürfen sie zu ihren Lebzeiten nur ihren Verwandten überlassen.«
Brauer stellte noch einige Fragen zu Einzelheiten und sagte dann, er sei
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