Finnisches Roulette
noch verschlimmert. Die Hochzeit rückte näher, und es blieb keine Zeit mehr, den Rücken durch Yoga zu entspannen, da die Berninger-Ermittlungen ein immer bedrohlicheres Ausmaß annahmen. Irgend etwas mußte ihm einfallen, er durfte am Sonnabend in der Kirche schließlich nicht krumm gehen.
Ketonen goß sich in der Küche im vierten Stock Kaffee in den Holzbecher, warf in seinem Zimmer die Leine von Musti auf den Panzerschrank und brach an der uralten Yuccapalme ein vergilbtes Blatt ab. Dann breitete er die Zeitung, die »Helsingin Sanomat«, auf seinem Schreibtisch aus, die Besprechung würde erst in einer halben Stunde beginnen.
»Hör dir das mal an«, sagte Ketonen eine Weile später zu seinem Hund. »›Der junge Labrador Retriever Todd schwamm sechzehn Kilometer bis ans Ufer, nachdem er an der südenglischen Küste aus dem Boot gefallen war. Unterwegs gelang es ihm, den Autofähren, Containerschiffen und Yachten auszuweichen.‹ Musti, wir müssen Sport treiben.«Ketonen beschloß, gleich mit dem Sport anzufangen – auf den Sportseiten. Bei den nächsten Spielen der Ersten Liga in Finnland oder den Hinweisen zu den Trabrennen könnte sich etwas Interessantes für eine Wette finden. Das war diesmal jedoch nicht der Fall. Nach der Lektüre fragte er sich nur verwundert, wie irgendein Idiot seinem Traber den Namen Galoppreitpferd Reima geben konnte.
Bei den Nachrichten aus der Welt der Wissenschaft fiel Ketonen die Überschrift »Ruhemaschine im Probebetrieb« ins Auge. In den Cockpits von Düsenjägern wurde ein Gerät getestet, hieß es in dem Artikel, das die unerwünschten Schallwellen neutralisierte. Wenn das für zivile Zwecke eingesetzt würde, könnte man in der Großstadt auch im allerschlimmsten Berufsverkehr inmitten völliger Stille spazierengehen. In der Welt der Ingenieure flogen selbst die Kühe, dachte Ketonen.
Der Summer auf seinem Arbeitstisch surrte, Ketonen rief: »Herein!« Er haßte diese Anlage.
Wrede trat ein, und Saara Lukkari folgte ihm auf den Fersen. »Der Mörder vom Forum ist identifiziert«, sagte der Schotte, der erregt wirkte und schnaufte.
Saara Lukkari berichtete, sie habe der polnischen Polizei eine Kopie von Laura Rossis CD geschickt, in der Hoffnung, daß die den Mörder von Berninger trotz der Maske identifizieren könnten.
Ketonen lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schob die Hände unter die Hosenträger. »Gut.« Er schaute auf die Uhr. »Wollen wir nicht jetzt gleich mit der Besprechung anfangen, da wir nun mal alle hier sind? Bitte, Erik.« Ketonen war seinen Kollegen dankbar, daß sie den gestrigen Abend nicht kommentierten.
Wrede berichtete, daß der polnische Sicherheitsdienst ABW den maskierten Mörder Berningers auf den Bildern erkannt hatte, weil der Mann ein Muttermal imGenick und eine Narbe am linken Unterarm hatte. »Marek Kasprz … Kasprzck …« Der Schotte versuchte die Verbindung von sechs Konsonanten auszusprechen. »Also dieser Marek arbeitet für ›Debniki‹, er hat zweimal wegen schwerer Körperverletzung gesessen und ist schon etliche Male unter jedem möglichen Verdacht verhaftet worden. Nach Polen ist der Mann im Anschluß an seinen Besuch in Helsinki nicht zurückgekehrt. Wahrscheinlich hat man ihn im Ausland versteckt, bis Gras über die Sache gewachsen sein würde.«
»Eine Auftragsarbeit. Anna Halberstam läßt ›Debniki‹ wirklich für sich arbeiten, die Polen haben Berninger umgebracht, Tero Söderholm die Aufzeichnung der Überwachungskamera abgekauft und Jerzy Milewics gegeben.« Ketonen klang so, als wäre er sich ganz sicher. Er trank einen Schluck Kaffee aus seinem Holzbecher.
Jetzt war Saara Lukkari an der Reihe. »Ich habe aus Polen noch andere neue Informationen bekommen. Der Unfall auf der Baustelle in Kraków war kein Zufall, die Ziegel wurden hinuntergestoßen. Ein paar Bauarbeiter haben gestanden, daß sie eine zusätzliche Kaffeepause eingelegt haben, weil ihnen jemand zweihundert Złoty in die Hand gedrückt hatte. Nach ihrer Einschätzung war der Mann, der sie bestochen hat, ein Araber oder Südeuropäer.« Sie berichtete noch, daß im Archiv der polnischen Polizei kein Mann namens Jerzy Milewics und niemand mit den von Laura Rossi angegebenen Merkmalen zu finden war.
Ketonen sah, daß sie noch etwas zu sagen hatte. »Mach nur weiter.«
»Der Mann mit dem Bürstenhaarschnitt, der in Kraków verwundet wurde, ist Piet Vorster. Die Identifizierung haben wir über Interpol erhalten. Nach dem Machtwechsel 1994
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