Finnisches Roulette
Mann mittleren Alters in karierten Hosen und einem rosafarbenen Pikeehemd, erzählte etwas auf italienisch mit der Geschwindigkeit eines Ferraris.
Dann folgte ein Schwall von Entschuldigungen in englisch und schließlich ein kräftiger Händedruck. Mascari sagte, er sei der Chef der örtlichen Kriminalpolizei. Er stellte seinen Golfschläger an die Wand, goß Wasser in ein Glas, drückte es Ratamo, ohne zu fragen, in die Hand und kam zur Sache. Ein Mann namens Alfredo Cavanna hatte kürzlich eine Wohnung im Haus der Galleria dello Scudo gemietet. Die Polizei von Verona war noch auf der Suche nach Cavanna, obgleich man den Verdacht hatte, daß es sich um gefälschte Personalien handelte. Die Untersuchungen am Tatort führten anscheinend auch nicht zu einem Durchbruch, berichtete Mascari verärgert. Er versicherte, daß Eero Ojala gut bewacht würde. Die Polizei von Verona sah es als Ehrensache an, einen Mann zu schützen, für den sich sowohl die finnischen und polnischen als auch die deutschen Behörden interessierten.
Ratamo fragte nach Einzelheiten der Schießerei in Verona,aber von Mascari war auch nichts Neues zu erfahren. Die beiden konstatierten übereinstimmend, daß man bei den Ermittlungen so lange auf der Stelle treten würde, bis Eero Ojala wieder zu Bewußtsein kam. Zum Abschied versprach Mascari, er werde Ratamo in jeder möglichen Weise unterstützen und jetzt mit einem Streifenwagen ins Hotel bringen lassen.
Der junge Polizist fuhr seinen Lancia sicher, aber aggressiv. Ratamo genoß die millimetergenauen Überholmanöver und das Gefühl der Geschwindigkeit, begleitet wurde die Fahrt zuweilen von einem Hupen. Er dachte an seinen Vater oder vielmehr an Tapani Ratamo. Allmählich war er überzeugt, daß der Alte die Wahrheit sagte, er hatte sich so eine unglaubliche Behauptung kaum aus reiner Bosheit ausgedacht. Zumal man die Angelegenheit leicht mit DNS-Proben überprüfen konnte.
Aus den Tiefen seines Gedächtnisses holte er die Gesichtszüge seines Vaters hervor und fand keine Gemeinsamkeiten, sosehr er auch danach suchte. Hatte er die dunklen Haare von seinem richtigen Vater geerbt? Wer mochte das sein? Wenn es nach seinem eigenen Aussehen und Charakter ging, dann war es vielleicht irgendein Einsiedler mit hispanischem Temperament und Sinn für Humor, der sich zu viele Sorgen machte und die Frauen nicht verstand, vermutete Ratamo. Sollte er seinen richtigen Vater suchen? Was würde das ändern, er hatte ja nicht einmal zu seinem bisherigen Vater Kontakt. Zu seiner Überraschung empfand es Ratamo als befreiend, zu wissen, daß er nicht Tapani Ratamos Sohn war.
Der Lancia bremste mit quietschenden Reifen, und der Fahrer stieg aus, um Ratamo die Wagentür aufzuhalten, wie es sonst nur für Ehrengäste üblich war. Die getönten gläsernen Schiebetüren des Hotels »Italia« am schmalen Fußweg der Via Mamel öffneten sich. Ratamo meldete sich an, fuhrmit dem Aufzug in die zweite Etage und marschierte direkt zum Zimmer von Laura Rossi.
Es dauerte eine Weile, bis er sie überredet hatte, mit ihm Abendbrot essen zu gehen. Laura sagte, sie brauche noch einen Augenblick, um sich zurechtzumachen.
Ratamo fand im Barschrank seines Zimmers eine Flasche Nastro Azzurro und in seiner Tasche die Kautabakdose. Dann holte er die wissenschaftlichen Zeitschriften aus seiner Tasche, ließ sich aufs Bett fallen und versuchte sich zu bilden, aber seine Gedanken schweiften ab und landeten bei Riitta. Vor einiger Zeit hatten sie eine Reise ins süditalienische Amalfi geplant, in die Heimat ihrer italienischen Mutter, aber daraus würde nun wahrscheinlich nie etwas werden.
Nach einer halben Stunde hatte er nichts mehr zu trinken und zu lesen. Lauras Vorbereitungen dauerten anscheinend noch länger. Ratamo beschloß, ins Busineß-Center des Hotels zu gehen, vielleicht fand er im Internet eine Seite, auf der die Gaststätten in Verona beurteilt wurden. Die Touristenrestaurants um die Piazza Bra und die Piazza delle Erbe ließ er außer acht und markierte auf der Karte einige bei den Einheimischen beliebte Ristorantes und Osterias. Laura erschien im Foyer, als er auf dem Bildschirm einen Text über die Sehenswürdigkeiten von Verona las.
Die brütende Hitze hatte die Via Mamel aufgeheizt, nur wenige Menschen waren unterwegs. Ratamo betrachtete verstohlen seine Reisegefährtin, die müde und gestreßt aussah. Hoffentlich würde Laura nicht zusammenbrechen, die Frau hatte in den letzten Tagen Schweres durchgemacht: die
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