Finnisches Roulette
an.
»Der deutsche Nachrichtendienst hat eine Verbindung zwischen H & S Pharma und dem Mord an Berninger sowie den Ereignissen in Kraków und Verona hergestellt«, berichtete Drumm. »Der BND vermutet, daß Future Ltd. und Anna Halberstam einen Machtkampf um H & S Pharma führen. Das sieht aus unserer Sicht nicht gut aus.«
»Wenn die Polizei Beweise hätte, dann würde sie die entweder vorlegen oder jemanden verhaften.« Die Stimme des Obersts klang unfreundlich.
»Der Ermittler hat auch nach irgendeiner Tätowierung gefragt … dabei handelt es sich um eine türkisfarbene Fünf«, sagte Drumm mehr aus Neugier, als um den Oberst zu informieren.
Agron verabschiedete sich kurz angebunden von Drumm. Der Anruf des deutschen Juristen bereitete ihm nicht die geringsten Sorgen, da die Polizei anscheinend nichts von Future Ltd. wußte und der Firmeneigentümer, der Milliardär Dan Goldstein, nichts Ungesetzliches getan hatte. Noch nicht.
Der Oberst strich über die dichte Behaarung seiner Unterarme und schaute sich aus einer Höhe von zweihundert Metern den Frankfurter Sonnenuntergang an. Seine Laune war allerdings alles andere als sonnig. Ben-Ami, den Chef des Kommandos, hatte man am Vormittag in dem Veroneser Krankenhaus betäubt, er war erst vor kurzem, noch benommen von dem Mittel, am Ufer der Adige aufgewacht. Und Eero Ojala lebte immer noch.
Der Oberst trat vor den Spiegel. Es wurmte ihn, daß er, der einst ein Mann der Tat gewesen war, nun in seinem gebügelten Hemd und den Khakihosen wie ein alter Stabsoffizier aussah. Er schaltete den Ton der BBC-Dokumentation wieder ein und sah sich das stolze Grinsen des Yankee-Generals Tommy Franks in der Zeit nach dem gewonnenen Irak-Krieg an. Oberst Agron mußte lächeln. Die überheblichenAmerikaner verstanden nicht, was es für ein Gefühl war, zu einem kleinen und bedrohten Volk zu gehören.
Die Operation zog sich hin. Das geschah oft, wenn man nicht mit voller Wucht zuschlagen durfte. Verschiebungen des Zeitplans und der Verlust des Überraschungsmoments brachten immer Schwierigkeiten mit sich. Wenn Saul Agron etwas nicht ausstehen konnte, dann war es der zögerliche Umgang mit der Macht in einem gerechtfertigten Krieg. Genau dieses Zaudern hatte ihn seinerzeit veranlaßt, den Armeedienst zu quittieren. Israel hätte die Palästinenser während des ersten Volksaufstands, der sechs Jahre dauerte, zerschlagen müssen, statt die Intifada durch das schändliche Friedensabkommen von 1993 mit der PLO zu beenden. Oberst Agron erinnerte sich genau, wie für ihn das Maß randvoll war, als Israel im darauffolgenden Jahr mit Jordanien Frieden schloß, und wie der 25. Februar 1996 das Faß schließlich zum Überlaufen brachte.
Seine Tochter Ilana gehörte zu den sechsundzwanzig Einwohnern Jerusalems, die in einem von der Hamas gesprengten Bus zerfetzt wurden. Im Kopf Agrons brannte der rotweiße Bus mit der Nummer 18 immer noch. Genau wie der Haß. Aber der Haß gab ihm die Kraft, mit der er seinen Sohn Ehud an die Spitze von Genefab bringen würde. Er war glücklich, daß Ehud und Sabine nichts von der Massenvernichtungswaffe wußten und demzufolge auch nicht in Gefahr waren. Nach dem Tod Ilanas war Ehud sein ein und alles.
Der Oberst setzte sich und betrachtete ein altes Foto. Er, Rafi Ben-Ami und Dan Goldstein sahen in ihrer Ausrüstung nach dem Kommandounternehmen in Beirut 1973 jung und toll aus. Im Augenblick der Ehre. Der Abschied aus der Armee hatte sich jedoch seiner Meinung nach als richtige Entscheidung erwiesen. Die verheerenden Auswirkungen der zweiten Intifada bewiesen das. Wenn der StaatIsrael nicht wagte, genügend Gewalt anzuwenden, dann mußte das eben jemand tun, der mutiger war – der geniale Geschäftsmann Dan Goldstein. Das Adrenalin schoß dem Oberst ins Blut, als er in der TV-Dokumentation die irakische Wüstenlandschaft sah und sich an die Zeit ihres Kampfes und Heldenmutes erinnerte.
Seine Aufgabe war es sicherzustellen, daß Dan Goldstein seinen Plan in Ruhe verwirklichen konnte und nicht mit den Aktionen des Kommandos in Verbindung gebracht wurde. Der Oberst machte die Drecksarbeit voller Stolz, weil er genug gesehen und gehört hatte, um zu wissen, daß er das »auserwählte Volk« verteidigte. Die zahllosen Wunder in den Kriegen Israels bewiesen das: die Siege gegen eine hundertfache Übermacht, die rettenden Stürme, die unerklärlichen Defekte feindlicher Panzer und Radaranlagen, die aus dem israelischen Luftraum verschwundenen und die nicht
Weitere Kostenlose Bücher