Finster
nicht gerade schläft.
Schlafen.
Während ich Eileen anstarrte, erinnerte ich mich daran, wie ich letzte Nacht mit Casey im Bett gelegen hatte. Ihr warmer Atem in meinem Gesicht. Die Berührung ihrer Brust. Und wie ich heimlich ihren Körper erkundet hatte …
Plötzlich sehnte ich mich nach Casey.
Es spielte keine Rolle, dass Eileen mich liebte, dass sie ausgestreckt auf meinem Bett lag, dass ihr Körper unter dem Kleid zum Greifen nahe war. Es war egal, dass sie schön und leidenschaftlich und schlau und wundervoll war. Das alles war gleichgültig; ich musste mit Casey zusammen sein.
Ich war versucht, das Licht im Schlafzimmer auszuschalten. Im Dunkeln würde Eileen wahrscheinlich länger schlafen. Andererseits befürchtete ich, dass sie durch die plötzliche Dunkelheit aufwachen könnte. Also ließ ich es an und schloss leise die Tür.
Im Wohnzimmer zog ich meine dunklen Kleider an und steckte Messer und Taschenlampe in meine Taschen. Dann ging ich in die Küche, um die Nachricht für Eileen zu schreiben.
Es war nicht einfach. In der ersten Fassung waren irgendwann
derart viele Wörter und ganze Sätze durchgestrichen, dass ich den Zettel letztlich in den Mülleimer warf und von vorn begann.
Jetzt mach schon!, dachte ich. Sonst wacht sie auf, und du kommst nie hier raus.
Schließlich hatte ich es geschafft.
Liebe Eileen,
das Essen war klasse! Kirkus war begeistert und dankt dir überschwänglich. (Ich konnte ihn schließlich loswerden.) Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Ich wollte dich nicht wecken, deshalb habe ich dich einfach liegenlassen.
Ich bin ein bisschen unruhig und mache einen Spaziergang. Wundere dich also nicht, dass ich nicht hier bin. Bitte geh nicht weg. Du kannst gerne die ganze Nacht bleiben. Ich rechne damit, dass du hier bist, wenn ich zurückkomme. Morgen ist Samstag. Keine Uni. Wir können ausschlafen. Vielleicht bringe ich Donuts zum Frühstück mit.
Fehlte nur noch der Schluss.
Naheliegend wäre gewesen: »Ich liebe dich, Ed«, aber das widerstrebte mir.
Jetzt mach schon, sagte ich mir.
Ich könnte einfach mit »Ich« unterschreiben.
Es wird sie kränken, wenn nichts von »Liebe« am Ende steht.
Aber was ist, wenn ich sie gar nicht liebe? Soll ich es dann dennoch schreiben?
Wenn ich es nicht schreibe, ist das eine klare Aussage, dass ich sie nicht liebe. Das will ich nicht.
Warum nicht?
Vielleicht liebe ich sie ja doch.
Warum schleiche ich mich dann raus, um Casey zu suchen?
»Scheiß drauf«, murmelte ich und unterschrieb mit: »Ich liebe dich, Ed.«
Ich las die Nachricht vorsichtshalber noch einmal schnell durch, dann faltete ich den Zettel in der Mitte und stellte ihn wie ein Zelt auf den Küchentisch. Auf dem Weg zur Tür überlegte ich, nachzusehen, ob Eileen noch schlief.
Wenn sie wach ist, blas ich es ab. Dann bleib ich hier. Wir schlafen miteinander und …
Vergiss es, dachte ich. Wenn sie wach ist, will ich es gar nicht wissen.
Ich trat in den Hausflur, schloss leise die Tür, versicherte mich, dass das Schloss eingerastet war, und ging zur Treppe. Mein Herz schlug schnell. Meine Beine zitterten.
Wie kann ich ihr das antun?
Beruhig dich, sagte ich mir.
Aber es war nicht einfach. Ich wusste, dass es falsch war, mich hinauszuschleichen und Eileen allein zu lassen. Besonders, weil ich sie verließ, um mich auf die Suche nach Casey zu begeben.
Ich hintergehe sie.
Nein, das stimmt nicht, dachte ich. Höchstwahrscheinlich schläft sie die ganze Zeit, während ich weg bin.
Hintergehe ich sie weniger, fragte ich mich, wenn sie nichts davon mitbekommt?
Wohl kaum. Ich habe es getan, egal ob Eileen es weiß oder nicht. In beiden Fällen bin ich ein Mistkerl.
Nicht besser als Holly.
Dann geh nicht, sagte ich mir.
Ich begann langsam und leise die Treppe hinabzusteigen.
Geh zurück, dachte ich. Zerreiß den Zettel …
Ich kann nicht.
Ich kann Casey nicht aufgeben. Vielleicht wird es ohnehin nicht funktionieren, aber ich muss es durchziehen und wenigstens versuchen. Ich kann sie jetzt nicht aufgeben, wo wir gerade erst angefangen haben. Nicht aus blödsinniger Treue zu Eileen.
Welche Verpflichtung hatte ich Eileen gegenüber schon? Ich war kaum von Holly verlassen worden, da hatte sie sich schon auf mich gestürzt.
Ich bin nicht ihr Liebhaber, ich bin ihre Beute.
Als mir diese Gedanken durch den Kopf schossen, fühlte ich mich gerechtfertigt und befreit und verdorben gleichermaßen. Ich ging die letzten Stufen hinab und hörte Stimmen aus der Wohnung
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