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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
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sein.«
    »Nervös, schrecklich nervös war ich und bin ich noch; aber weshalb soll ich wahnsinnig sein?«
    »Wunderbar! Für jede Gelegenheit ein Zitat.«
    »Ich versuch nur, dich zu beeindrucken, alter Knabe.«
    »Wenn du mich beeindrucken willst, zitiere Camus.«
    »Wenn das so ist, musst du leider unbeeindruckt bleiben.«
    Wir gingen auf die Brücke. Von den vier altmodischen Laternen an den Seiten waren drei dunkel. Nur eine verbreitete ihr trübes Licht. Wie letzte Nacht.
    Wir hatten die Brücke halb überquert, als Kirkus sagte: »Ist er nicht göttlich, der Old Mill?«
    »Er ist ganz hübsch.«
    »So malerisch und romantisch«, sagte er und trat an die Brüstung.

    Ich wartete, aber stellte mich nicht zu ihm.
    Er sah zu mir zurück. »Hast du es so eilig mit deinen Donuts, dass du keine Zeit hast, zu verweilen und die Schönheiten der Nacht zu genießen?«
    »Ziemlich.«
    »Man sollte meinen, eine Umgebung wie diese übte einen besonderen Reiz auf dich aus. Es ist so … es erinnert so an Poe.«
    »Der Fluss?«
    »Die alte düstere Brücke. Findest du nicht?«
    »Kann sein.«
    Er winkte mich zu sich. »Bitte.«
    Ich stand einfach nur da und sah ihn an.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich verspreche, dich nicht zu belästigen.«
    »Sehr beruhigend. Kommst du jetzt?«
    »Komm du hierher.«
    »Lieber nicht.«
    »Mein Gott, Mann. Ich möchte doch nur ein paar Minuten hier verweilen und die Aussicht genießen.«
    »Ich halt dich nicht auf.« Ich machte mich wieder auf den Weg. Mit einem Blick über die Schulter sagte ich: »Bis später.«
    » Ich würde nicht weggehen und dich zurücklassen, alter Kumpel.« Obwohl er beinahe so selbstgefällig klang wie üblich, hörte ich einen schmerzlichen Unterton heraus.
    »Okay«, sagte ich. »Ich warte auf dich.«
    »Danke.« Er wandte sich ab und stützte sich mit den Ellbogen auf die Brüstung. Sein Kopf bewegte sich ein wenig von links nach rechts und von oben nach unten. Dann
blickte er wieder zu mir. »Es ist wirklich eine fabelhafte Aussicht«, sagte er.
    »Ich hab’s schon gesehen.«
    »Komm her und sieh es dir mit mir zusammen an.«
    »Nein danke.«
    »Es ist erschütternd, so verabscheut zu werden«, murmelte er und wandte sich ab.
    Na toll.
    Mit dem Rücken zu mir und den Ellbogen auf der Mauer ließ er den Kopf sinken. Ich sah ihn eine Weile an. »Alles klar?«, fragte ich schließlich.
    Er gab keine Antwort und bewegte sich nicht.
    »Rudy?«
    Immer noch keine Reaktion. Ich ging zu ihm und lehnte mich dicht neben ihm auf die Brüstung. Der Bereich unter uns war so dunkel, dass ich den Fluss kaum erkennen konnte. »Schöner Ausblick«, sagte ich. »Ich kann nichts sehen.«
    Er sah mich nicht an, sondern stand einfach nur mit hängendem Kopf da und starrte hinab.
    »Hey«, sagte ich. »Kopf hoch.«
    Er blickte noch eine Weile hinab, ehe er sagte: »Vielleicht sollte ich springen.«
    »Du willst vor Freude Luftsprünge machen?«
    »Du bist so witzig.«
    »Meintest du etwa von der Brücke springen?«
    »Es kommt mir wie eine gute Idee vor.«
    »Sie würde einschlagen wie eine Bombe.«
    »Arschloch«, sagte Kirkus.
    »Wenn ich du wäre, würde ich es nicht tun.«

    »Wenn du wirklich ich wärst, vielleicht schon.«
    »Tja, Scheiße, stimmt. Wenn man es so sieht.«
    Er lachte, aber es klang trostlos. »Edward, Edward.«
    »Läuft da was bei dir, von dem ich nichts weiß?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Keine grauenhafte tödliche Krankheit?«
    »Ich bin bei bester Gesundheit.«
    »Das wird sich ändern, wenn du von der Brücke springst.«
    »Du ewiger Klugscheißer.«
    »Ich mache keine Witze. Es sieht vielleicht aus, als wäre es tief, aber das täuscht. Du würdest dir ein paar Knochen brechen, aber wohl kaum dabei draufgehen.«
    »Vielleicht sollten wir es herausfinden.« Mit diesen Worten hob er ein Bein und schwang es über die Brüstung.
    Anstatt zu versuchen, ihn festzuhalten, sagte ich: »Das würde ich nicht tun.«
    Er hob sein anderes Bein ebenfalls hinüber und setzte sich auf die Mauer. Seine Füße baumelten über dem Fluss, die Hände lagen flach auf dem Stein zu beiden Seiten seines Hinterns.
    »Wenn du runterfällst«, sagte ich, »bist du am Arsch.«
    »Ich bin jetzt schon am Arsch.«
    »Kann sein, aber …«
    »Außerdem habe ich nicht vor zu fallen.«
    »Der beste Plan von Maus und Mann …«
    »Der Plan ist zu springen, nicht zu fallen.«
    »Das willst du doch gar nicht.«
    »Wir werden sehen.« Mit einer Behändigkeit, die ich Kirkus kaum zugetraut

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