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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
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mir zum Bürgersteig rüber«, sagte sie.
    Ich legte einen Arm um sie. Sie stützte sich auf mich, und ich führte sie von dem Autowrack weg.
    Überall um uns herum liefen Leute aus den Häusern in der Nähe ihre Verandatreppen hinunter und durch ihre Vorgärten. Viele von ihnen waren im Bademantel. Einige Frauen hatten Lockenwickler in den Haaren. Ich sah drei Leute, die mit ihren Handys telefonierten.
    Leise sagte Lois: »Du bist nach dem Unfall hier vorbeigekommen. Du bist nichts als ein guter Samariter. Misch dich unter die Leute und verschwinde, ehe die Polizei auftaucht.«
    »Okay.«
    »Ist noch jemand in dem Auto?«, rief ein Mann irgendwo hinter mir.
    »Nein, ich war allein«, sagte Lois.
    Eine Frau mit einem Handy kreischte aus ihrem Vorgarten: »Polizei und Krankenwagen sind unterwegs!«
    »Ist jemand verletzt?«, fragte ein kräftiger Mann, der von der anderen Straßenseite auf uns zugelaufen kam.
    »Die Frau könnte verletzt sein«, antwortete ich.
    »Mir geht’s gut«, protestierte sie. »Ich bin nur … durchgerüttelt worden.«
    »Was ist mit dem Lieferwagen?«, fragte eine ältere Frau. »Sitzt da einer drin?«
    »Es sollte jemand nachsehen.«

    »Der gehört mir«, sagte ein Mann. »Wenn da jemand drin wäre, gäb’s Ärger. Wie zum Teufel ist das überhaupt passiert?«
    »Herman, das ist doch egal.«
    »Meiner Versicherung ist das nicht egal. Hat jemand gesehen, wie es passiert ist?«
    Ein Chor von Stimmen antwortete: »Nein«, »Nichts gesehen«, »Hab nur diesen schrecklichen Knall gehört.«
    »Ich helfe Ihnen«, sagte ein Mann und eilte zu uns.
    »Hierher«, rief jemand anderes. »Kommen Sie hierher.«
    Ich ließ Lois los, und zwei Männer halfen ihr hinüber zum Bürgersteig und legten sie ins Gras.
    Aus der Ferne rief einer: »Hat schon jemand einen Krankenwagen gerufen?«
    Verschiedene Leute antworteten: »Ja«, »Ist unterwegs«, »Schon erledigt.«
    »Hat wirklich keiner was gesehen?« Der Mann klang verärgert.
    »Ach, sei still, Herman.« Das war anscheinend seine Frau.
    Auf dem Grünstreifen zwischen dem Bürgersteig und der Straße hatte sich eine kleine Gruppe um Lois versammelt.
    »Wo tut es weh?«, fragte jemand.
    »Ein Krankenwagen ist unterwegs«, meinte jemand anderes.
    »Das wird schon wieder.«
    »Versuchen Sie nicht, aufzustehen.«
    »Bleiben Sie einfach ruhig liegen, Süße.«
    »Irgendwas gebrochen?«

    »Soll ich jemanden für Sie anrufen?«
    »Der Krankenwagen ist bestimmt jeden Moment da.«
    »Ich hole ihr eine Decke.«
    Der letzte Satz stammte von mir. Niemand sah mich an, aber ich hörte ein paar Leute sagen: »Gute Idee.« Während ich über die Straße eilte und die Ledertasche an meiner Seite hin und her schwang, wurden die Stimmen leiser.
    Als ich die Sirenen hörte, war ich bereits mehr als einen Häuserblock vom Unfallort entfernt.

63
    Ich befand mich in sicherer Entfernung von der Unfallstelle und hatte keine Ahnung, was ich als Nächstes tun sollte. Mein Kopf tat wieder weh, meine Brust schmerzte von dem Aufprall des Airbags, und meine Knie waren weich. Ich fühlte mich schwach und zittrig.
    Ich war auf mich allein gestellt. Keine Gefährtin. Kein Auto. Kaum noch Hoffnung, Eileen retten zu können.
    Nur wegen der Fahrradhexe.
    Widerliche Schlampe!
    Es hatte fast den Anschein, sie wäre absichtlich vor uns auf die Straße gefahren, um einen Unfall auszulösen.
    Niemand ist so verrückt. Es ist ein Wunder, dass sie nicht dabei umgekommen ist.
    Jedenfalls gut, dass ihr nichts passiert ist. Lois wäre wirklich in Schwierigkeiten, wenn sie eine alte Frau auf dem Fahrrad überfahren hätte. Der Unfall mit dem parkenden
Wagen war bei weitem nicht so schlimm. Vielleicht würde sie eine Vorladung wegen überhöhter Geschwindigkeit erhalten. Ihre Versicherungsbeiträge könnten steigen. Keine große Sache.
    Hoffentlich geht es ihr gut.
    Bestimmt, sagte ich mir.
    Aber was soll ich jetzt tun?
    Ich war entmutigt, und alles tat mir weh. Am liebsten wäre ich zurück in meine Wohnung gegangen.
    Ich kann nicht aufgeben.
    Außerdem hätte ich den Weg nach Hause nicht gefunden.
    Erst mal rausfinden, wo ich bin.
    Ich ging zur nächsten Kreuzung und las die Straßenschilder.
    Beaumont und Pittman.
    »Hä?«
    Ich kannte keine von beiden.
    »Scheiße.«
    Ich blieb an der Ecke stehen und blickte in alle vier Richtungen. Die Straßen waren von Laternen und großen Bäumen gesäumt. Der Wind bewegte die Äste. Winkende Schatten belebten das Pflaster. Ich sah keine Autos und keine

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