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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
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zusammengeführt. Lediglich meine Entschlossenheit, sie zu finden, hatte ein wenig nachgeholfen.
    Was nun?
    Ich wollte ihr nicht einfach nur folgen, sondern sie kennenlernen.
    Ich muss näher an sie heran.

    Wie? Bis jetzt schien sie mich noch nicht bemerkt zu haben. Aber es würde nicht mehr lange dauern.
    Wenn sie mich kommen sieht, haut sie ab.
    Nicht zum ersten Mal in meinem Leben wünschte ich mir, ich wäre unsichtbar. Dann würde ich rasch zu ihr aufschließen, nur ein oder zwei Schritte hinter ihr bleiben und eine Zeit lang beobachten, wie sie sich bewegt, ehe ich sie überholte und rückwärts ging, um sie von vorn zu betrachten. Wenn sie mich nicht sähe, könnte ich sie so lange anstarren, wie ich wollte. Ich müsste nicht verschwinden, selbst dann nicht, wenn sie nach Hause ginge. Ich konnte einfach mit ihr hineingehen. Vielleicht würde sie ein Bad nehmen, bevor sie ins Bett ging.
    Ich stellte mir vor, neben ihr im Schlafzimmer zu stehen, während sie ihr Sweatshirt auszog.
    Klar. Träum weiter.
     
    Wie wäre es, wenn ich mich ihr von vorn näherte? Das würde ihr wahrscheinlich keinen derartigen Schrecken einjagen. Ich könnte um den Block rennen und sie überholen. Und dann sogar vor ihr gehen, so dass sie mir folgt. Dann langsamer werden. So würde sie zu mir aufschließen. Vielleicht.
    Toller Plan, dachte ich. Immerhin besser als zu versuchen, unsichtbar zu werden.
    Es geht jedenfalls schon in die richtige Richtung.
    Es gab nur ein Problem. Um meinen Plan umzusetzen, müsste ich einen Umweg machen und dann zur Franklin Street zurückkehren, und dann wäre das Mädchen wahrscheinlich weg. So laufen die Dinge in der Wirklichkeit.

    Auf dem Papier sieht es gut aus …
    Natürlich müsste sie nicht zwangsläufig verschwinden. Es war gut möglich, dass sie noch ein Stück weiter auf der Franklin nach Norden lief.
    Nicht, wenn ich versuche, eine Bogen um sie zu schlagen. Dann verpasse ich sie.
    Es ist besser, wenn ich mich einfach zurückhalte und ihr in sicherer Entfernung folge. Mal sehen, was passiert. Wenn ich Glück habe, führt sie mich zu sich nach Hause.
    Ein paar Minuten später überquerte sie die Franklin Street.
    Gut, dass ich mich entschieden hatte, keinen Bogen um sie zu schlagen. Sie wäre weg gewesen, wie ich es vermutet hatte.
    Sie verließ die Franklin und ging auf einer Querstraße nach Westen. Nachdem sie aus meinem Blickfeld verschwunden war, rannte ich quer über die Franklin. Dann schlenderte ich in gemächlichem Tempo bis zur Ecke vor. Dort blickte ich beiläufig erst nach rechts, dann nach links.
    Der Bürgersteig war leer.
    Hab ich sie verloren?
    Ehe ich den Schreck verdaut hatte, erregte eine Bewegung meine Aufmerksamkeit. Sie überquerte gerade die Straße und war schon fast auf der anderen Seite angelangt. Da ich befürchtete, sie könnte sich umdrehen, hielt ich nach Deckung Ausschau. Die Laternenpfähle waren zu schmal. Der Stamm des nächsten Baums ebenfalls. Aber am Straßenrand parkte ein Auto. Ich lief hinüber und duckte mich dahinter.

    Ein mieses Versteck. Es verbarg mich vor dem Mädchen, aber nicht vor anderen neugierigen Augen.
    Ich spähte über die Motorhaube und sah, wie sie über den Rasen auf ein zweigeschossiges Haus an der Straße zuging. Hinter den Fenstern brannte kein Licht. Auch die Veranda war dunkel.
    Im Schein der Laternen stieg sie die Verandastufen hinauf. Dann verschluckten sie die Schatten. Ich versuchte zu erkennen, ob sich die Haustür öffnete. Vielleicht würde ein grauer Streifen sichtbar werden und sich ausdehnen, so wie Montagnacht.
     
    Nichts Erkennbares tat sich.
    Wenn es im Inneren genauso dunkel ist wie auf der Veranda, überlegte ich, würde man von einer etwaigen Bewegung nichts mitbekommen.
    Was, wenn sie noch auf der Veranda ist?
    Vielleicht wohnt sie nicht dort und versteckt sich nur auf der Veranda, weil sie befürchtet, verfolgt zu werden.
    Denn siehe, sie weiß, der erzböse Feind
Stapft ihr auf den Fersen einher.
    Sie hatte mich vielleicht flüchtig gesehen und hielt mich für einen erzbösen Feind, der ihr folgte.
    Ich schämte mich.
    Ich bin nicht dein Feind , teilte ich ihr im Geiste mit. Ich würde dir niemals wehtun. Es gibt überhaupt keinen Grund, Angst vor mir zu haben.
    Klar, dachte ich. Keinen Grund? Und was ist mit meiner
Hinterherschleicherei? Wie könnte sie das völlig kaltlassen? Aus ihrer Sicht könnte ich darauf aus sein, sie zu entführen … sie in einen Wald zu schleppen (oder unter eine Brücke), ihr die

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