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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
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auftauchen würde.
    Wahrscheinlich hatte er mich doch nicht gesehen. Vielleicht war es auch gar nicht sein Pick-up.
    In gleichem Maße wie meine Angst vor Randy nachließ, kehrten meine Gedanken zu dem Mädchen zurück. Sie war in dieses Haus gegangen. Sie war genau in diesem Moment irgendwo da drin.
    Wenn die Wände durchsichtig wären, könnte ich sie sehen. Im ersten Stock wahrscheinlich. Vielleicht im Bad oder in ihrem Bett.
    War sie ins Bett gegangen, ohne sich ihr Gesicht zu waschen? Oder sich die Zähne zu putzen? Oder zur Toilette zu gehen?

    In meiner Ecke auf der Veranda hätte ich hören können, wenn Wasser durch die Leitungen lief. Ich hatte aber nichts dergleichen wahrgenommen.
    Vielleicht war sie schon fertig im Bad, als ich auf die Veranda kam. Ich hatte das Haus von der anderen Straßenseite mindestens fünf, vielleicht sogar zehn Minuten lang beobachtet. Reichlich Zeit, um sich das Gesicht zu waschen, sich die Zähne zu putzen und zur Toilette zu gehen.
    Während ich die Veranda inspiziert und mir in meiner Ecke Sorgen wegen Randy gemacht hatte, hätte sie in ihr dunkles Schlafzimmer gehen, sich ausziehen, ihr Nachthemd oder was immer sie zum Schlafen trug anziehen und sich ins Bett legen können.
    Sie liegt bestimmt gerade im Bett, dachte ich. Auf der Seite zusammengerollt und bis zu den Schultern mit einem Laken oder einer Decke zugedeckt. Was hat sie wohl an? Sie scheint nicht der Typ für ein Rüschennachthemd oder einen Body zu sein. Sie trägt eher einen Schlafanzug oder ein einfaches Baumwollnachthemd.
    Oder gar nichts?
    Ein bisschen kühl dafür.
    Also stellte ich sie mir in einem weißen Nachthemd unter der Decke vor. Ich konnte sie vor mir sehen, wie sie auf der Seite lag, das Gesicht halb im Kissen vergraben, und ihr Hintern unter dem Saum des Nachthemds hervorragte.
    Wenn ich unsichtbar wäre, würde ich mich ins Haus schleichen und ihr Schlafzimmer suchen. Ich würde neben ihrem Bett stehen, ihr beim Schlafen zusehen und ihrem
Atem lauschen. Vielleicht würde ich ihr sogar vorsichtig die Decke wegziehen und sie am Fuß des Betts zu Boden sinken lassen, um das Mädchen unbedeckt betrachten zu können.
    Ihr weißes Nachthemd leuchtet fast in der Dunkelheit. Ihre Haut wirkt dunkel. Ich sehe die Kurven ihrer nackten Hinterbacken und den im Schatten liegenden Spalt dazwischen.
    Möglicherweise schläft sie doch nicht im Nachthemd. Vielleicht schläft sie nackt.
    Viel besser.
    Sie stöhnt im Schlaf und dreht sich auf den Rücken.
    Plötzlich kam in mir die Frage auf, ob die Eingangstür abgeschlossen war, und riss mich aus meinen Träumereien.
    Das Mädchen könnte vergessen haben, sie abzuschließen, nachdem sie sich hineingeschlichen hatte. Außerdem hatte ich gehört und gelesen, dass ein ziemlich großer Prozentsatz von Leuten selten ihre Auto- oder Wohnungstüren nachts abschließt. Vor allem in kleinen Städten.
    Was, wenn die Tür nicht abgeschlossen ist?
    Ich könnte sie aufmachen und mich hineinschleichen. In der Dunkelheit des Hauses wäre ich fast unsichtbar. Ich könnte in das Schlafzimmer des Mädchens gehen und neben ihrem Bett stehen und …
    Auf keinen Fall. Das mache ich nicht.
    Aber ich könnte.
    Ich könnte vieles tun. Aber ich werde es nicht tun. Ich muss verrückt sein, überhaupt daran zu denken. Erstens könnte ich erwischt werden. Zweitens würde ich es nicht
mal dann tun, wenn keine Möglichkeit bestünde, ertappt zu werden.
    Ist das wirklich so?, fragte ich mich. Warum habe ich dann diese Fantasien über das Unsichtbarsein? Der einzige Grund, unsichtbar zu sein, besteht darin, dass man dann tun kann, was man will, ohne erwischt zu werden.
    Tja, ich bin aber nicht unsichtbar. Wenn ich mich in das Haus schleiche, könnte mich jemand dabei ertappen. Mir eins überziehen. Auf mich schießen. Mich festhalten, bis die Polizei kommt. Und was würde das Mädchen denken? Sie würde glauben, ich wäre ein Krimineller oder ein Perverser. Danach würde sie niemals wieder was mit mir zu tun haben wollen.
    Aber wenn alle schlafen und ich ganz leise bin …
    Wieder stellte ich mir vor, wie ich am Bett des Mädchens stand und auf sie hinabblickte.
    Ich gehe nicht da rein, sagte ich mir. Außerdem ist die Tür wahrscheinlich sowieso abgeschlossen.
    Wenn sie abgeschlossen ist, hat sich die Sache erledigt.
    Damit wäre es gelaufen, klar. Eine unverschlossene Tür zu öffnen war eine Sache - und vielleicht im Bereich des Möglichen -, aber irgendwo einzubrechen kam überhaupt nicht

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