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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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stumm und nachdenklich da. Dann sagte er: «Ich habe da so eine kleine Idee. Erinnern Sie sich an die Leserzuschriften in der Times vor etwa einem Jahr?»
    «Die irische Sache, ja.»
    «Ich dachte gerade — dachte laut, Sir — , wenn Sie die Times anrufen würden...»
    «Ich? Was spricht dagegen, daß Sie es tun?»
    Strange antwortete nicht.
    «Hören Sie! Es ist mir egal, was wir tun, solange wir überhaupt etwas tun — schnell!»
    Strange erhob sich ächzend von seinem Stuhl.
    «Wie kommt Morse mit Johnson aus?» fragte der CC.
    «Überhaupt nicht.»
    «Wo verbringt Morse eigentlich seinen Urlaub?»
    «Lyme Regis — Sie wissen schon, wo ein Teil von Persuasion spielt.»
    «Ah.» Der CC sah angemessen verständnislos aus, während der Chief Superintendent zur Tür stampfte.

    «Das wär’s also», sagte Strange. «Das, schätze ich, sollten wir tun. Was meinen Sie? Wird ein bißchen Aufsehen erregen, was? Ein bißchen Interesse?»
    Johnson nichte. «Gefällt mir. Rufen Sie bei der Times an, Sir?»
    «Was spricht dagegen, daß Sie es tun?»
    «Wissen Sie zufällig...?»
    «Sie — können — bei — der — Auskunft — anrufen», intonierte Strange sarkastisch, «indem Sie eins-neun-zwei wählen.»
    Johnson preßte die Lippen zusammen, als Strange fortfuhr: «Und während ich hier bin, können Sie mich auch gleich über den Fall informieren. Okay?»
    Und so informierte Johnson ihn über den Fall und nahm dabei die Fäden der Geschichte mit wesentlich mehr Geschick auf, als Strange ihm zugetraut hatte.

Kapitel elf

    Nec scit qua sit iter
    (Er weiß nicht , welchen Weg er einschlagen soll)

    (Ovid, Metamorphosen II)

    Karin Eriksson hatte vor einem Jahr als gegolten, nachdem man ihren Rucksack gefundenhatte, und sie galt auch jetzt als . Ihr Fall war nicht Gegenstand einer Untersuchung wegen Mordes, weil es äußerst ungewöhnlich war — und außerordentlich heikel —, eine Untersuchung wegen Mordes anzusetzen ohne Verdacht auf ein Gewaltverbrechen, ohne daß ein Motiv bekannt war, und vor allem ohne Leiche.
    Was wußte man denn über Miss Eriksson?
    Ihre Mutter hatte eine kleine Pension in Uppsala betrieben, war aber bald nach dem Verschwinden ihrer Tochter in ihre Heimat zurückgekehrt — in die Umgebung Stockholms. Karin, die mittlere von drei Töchtern, hatte gerade einen Sekretärinnenkurs abgeschlossen und das Abschlußexamen zwar nicht mit Auszeichnung bestanden, aber doch mit der Aussicht, einen annehmbaren Job an Land zu ziehen. Sie war ein klassischer nordischer Typ, mit langem blondem Haar und einem Busen, der die Aufmerksamkeit der meisten Männer fesselte, wenn sie ihr zum erstenmal begegneten. Im Sommer 1990 war sie ins Heilige Land gereist, ohne viel Geld, doch offensichtlich auch ohne größere Schwierigkeiten, bis sie ihren Bestimmungsort erreichte, wo sie das Opfer einer versuchten Vergewaltigung durch einen israelischen Soldaten gewesen sein mag oder auch nicht. 1991 hatte sie beschlossen, eine weitere Reise nach Übersee zu machen, hatte, nach allem, was man hörte, auch beschlossen, einen weiten Bogen um alles Militär zu machen, wohin sie auch ging. Sie hatte in Uppsala außerdem einen dreimonatigen Kurs in asiatischen Kampfsportarten besucht, wobei sie eine Befähigung und Ausdauer zeigte, wie sie in ihrer Sekretärinnenschule nicht immer augenscheinlich gewesen waren. Jedenfalls war sie eine ziemlich große (1,74 Meter), sportliche junge Dame mit kräftigen Knochen, die ganz gut auf sich aufpassen konnte.
    Aus den Unterlagen ging hervor, daß Karin am Mittwoch, dem 3. Juli 1991, nach Heathrow geflogen war, mit knapp zoo Pfund in der Tasche, einer vielseitigen Wanderausrüstung und mit der Adresse der Leiterin einer YWCA-Herberge in der Nähe des King’s Cross-Bahnhofs. Einige Tage in London hatten offensichtlich einen großen Teil ihres englischen Geldes dahinschwinden lassen, und ziemlich früh morgens am Sonntag, dem 7. Juli, hatte sie die Untergrundbahn nach (vielleicht) Paddington genommen und sich von dort (vielleicht) auf den Weg zur A 40/M 40 in Richtung Oxford gemacht. Die YWCA-Leiterin hatte sehr bestimmt die Meinung vertreten, daß aus Karins Worten hervorgegangen sei, sie würde am Ende eine entfernte Verwandte aufsuchen, die in Mittelwales lebte (Name und Adresse wurden später von Karins Mutter zur Verfügung gestellt).
    Sehr wahrscheinlich muß Karin gegen 10 Uhr vormittags an jenem Tag an einer der Zubringerstraßen zur A 40 gesehen

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