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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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worden sein. Sie war eine auffällige Erscheinung: langes, strohfarbenes Haar, verwaschene Blue Jeans, wie allgemein üblich an den Knien aufgerissen. Aber besonders bemerkenswert — und das hatten mehrere Zeugen bestätigt — muß die gelbblaue schwedische Flagge gewesen sein, etwa 9 mal 6 Zoll, die an die große Hintertasche des Rucksacks geheftet war; und um den Hals trug sie (immer) einen seidenen Schal mit Fransen in denselben schwedischen Nationalfarben — Sonnenscheingelb und Himmelblau.
    Zwei Zeugen meldeten sich, die ziemlich sicher waren, gesehen zu haben, wie eine Frau, die Karins Beschreibung entsprach, versucht hatte, zwischen dem Headington und dem Banbury Road-Kreisverkehr in Oxford mitgenommen zu werden. Und ein weiterer Zeuge, ein junger Mann, der am oberen Ende der Banbury Road in Oxford auf den Bus gewartet hatte, glaubte, sich zu erinnern, sie an jenem Tag recht zielbewußt in Richtung Stadtzentrum Oxford marschieren gesehen zu haben. Die Zeit? Etwa mittags — sicher mittags! —, denn er war gerade auf dem Weg zu einem Drink im Eagle and Child in St. Giles’. Aber glaubwürdiger war zu der Zeit ein letzter Zeuge erschienen, ein Anwalt, der auf dem Weg zu seiner invaliden Mutter in Yarnton gewesen war, und der meinte, er habe Karin die Sunderland Avenue entlanggehen sehen, die von Hainbuchen gesäumte Straße, die die Kreisverkehre von der Banbury Road und der Woodstock Road miteinander verbindet.
    An dieser Stelle warf Johnson einen Blick auf seine Unterlagen, zog eine dilettantische Zeichnung hervor und reichte sie Strange.
    «Das hätte sie vor sich gesehen, Sir — wenn wir davon ausgehen können, daß sie überhaupt bis zum Woodstock Road-Kreisverkehr gekommen ist.»

    Ohne große Begeisterung sah Strange sich die Zeichnung an, und Johnson nahm seine Geschichte wieder auf.
    Karin hätte natürlich direkt zum Kreisverkehr gehen können — entlang der A 40, einer Straße, auf der es für einen Anhalter viel leichter gewesen wäre, mitgenommen zu werden, als an den Autobahnen und den Schnellstraßen, die sie bereits erfolgreich hinter sich gebracht hatte. Außerdem würde die A 40 sie ziemlich direkt zu ihrer Cousine dritten Grades oder was auch immer in der Nähe von Llandovery führen. Aber den Kriminalpolizisten, die die Angelegenheit erörterten, war es nicht wahrscheinlich erschienen, daß sie die Straße nach Witney oder die nach Wolvercote oder die zum Stadtzentrum nahm; sie vermuteten, daß sie sich in Richtung Woodstock bewegt hatte...

Kapitel zwölf

    Beseufze eine erbärmliche Geschichte,
    Erzählt vor langer Zeit, und schlecht erzählt

    (John Ford, The Lover’s Melancholy)

    Um etwa 7.15 Uhr (fuhr Johnson fort) am sonnigen Morgen von Dienstag, dem 9. Juli 1991, nahm George Daley, z Blenheim Villas, Begbroke, Oxon, seinen acht Jahre alten King Charles Spaniel mit auf einen Morgenspaziergang entlang der Zubringerstraße und vorbei am Royal Sun, einem Bierlokal am nördlichen Teil der A 3400, etwa eine Meile von der Oxfordseite von Woodstock entfernt. Am Fuß einer Weißdornhecke, fast völlig verborgen unter üppig wachsendem Kerbel, entdeckte Daley — wie er behauptete — etwas Buntes, und als er sich vorsichtig hinunter- und näher heran beugte, wäre er fast auf einen Fotoapparat getreten, bevor er den scharlachroten Rucksack entdeckte.
    Zu diesem Zeitpunkt gab es natürlich noch keinen Hinweis auf ein Verbrechen — den gab es noch immer nicht —, und es war der Fotoapparat, auf den sich Daleys Aufmerksamkeit konzentrierte. Er hatte seinem Sohn Philip einen Fotoapparat versprochen — er wurde demnächst sechzehn —, und der Apparat, den er gefunden hatte, eine schwere, vornehm aussehende Angelegenheit, war eine etwas zu große Versuchung. Er hatte sowohl den Rucksack als auch den Fotoapparat mit nach Hause genommen, wo er und seine Frau Margaret am Vormittag kurz, am Abend ausführlicher über die Sache sprachen.
    ; damit waren sie aufgewachsen. Und, na ja, der Rucksack gehörte eindeutig und definitiv jemand anderem — aber auf dem Fotoapparat stand kein Name, oder? Soweit sie wußten, bestand überhaupt keine Verbindung zu dem Rucksack. Darum hatten sie den Film herausgenommen, der ohnehin fast voll schien, und ihn ins Feuer geworfen. Kein Verbrechen, oder? Manchmal, meinte Daley, war selbst die Polizei nicht ganz sicher, was als Straftat galt. Wenn ein Fahrrad gestohlen wurde, war es eine Straftat. Aber wenn man den Besitzer

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