Finstere Gründe
Regis
Sir, wie die meisten der Leser, die Ihnen geschrieben haben, muß ich davon ausgehen, daß die -Verse von der Person stammen, die verantwortlich für die Ermordung der unglückseligen jungen Dame ist. Es ist natürlich möglich, daß es sich um einen Schabernack handelt, aber diese Ansicht teile ich nicht. Meiner Meinung nach ist es weitaus wahrscheinlicher, daß der Schreiber wütend ist über die Unfähigkeit der Polizei, auch nur die Leiche zu finden, von einer Festnahme des Mörders ganz zu schweigen. Die Verse, wie ich sie lese, sind ein Schrei des Mörders — nicht des Opfers — nach irgendeiner Art von Enthüllung, einer Absolution, einer Entlastung von schlaflosen, qualvollen Nächten.
Aber ich hätte Ihnen nicht geschrieben, Sir, nur um vage und zweifelhafte Gemeinplätze zur Sprache zu bringen. Ich schreibe, weil ich Kreuzworträtsel fabriziere, und als ich die Verse zum erstenmal studierte, hatte ich gerade ein Rätsel fertiggestellt, in dem jede Antwort angedeutet wurde durch eine Definition des einzutragenden Wortes, außerdem durch ein Anagramm desselben Wortes. Darum warmein Interesse beträchtlich — und mit einem gerüttelt Maß an Ungläubigkeit gemischt -, als mir nach und nach klar wurde, daß das Wort Wytham, in Form eines Anagramms, in jeder der fünf Strophen auftaucht. Also: THAW MY (Strophe 1); (stre)AM WHY T(ell’st) (Strophe2); WHAT MY (Strophe3); (S)AW THYM(e) (Strophe4) und (no)W THY MA(iden) (Strophe5).
Fünf Fälle dieser Art gehen sicherlich weit über die Grenzen des bloßen Zufalls hinaus. (Ich habe mit meinen Mathematiker-Freunden über diese Sache gesprochen.) , so habe ich erfahren (ich habe nicht in Oxford studiert), ist der Name eines Waldes im Westen von Oxford. Wenn das Gedicht uns also etwas sagen will, dann sicher dieses: daß die gesuchte Leiche im Wytham-Wald zu finden ist, und mein bescheidener Vorschlag ist, daß alle weiteren Suchaktionen dort vorgenommen werden sollten.
Mit freundlichen Grüßen
LIONEL REGIS
16 Cathedral Mews,
Salisbury
Wie Lewis erinnerte auch Strange sich genau an den Wortlaut der Postkarte von Morse: , und er schob die Zeitung zur Seite und schaute hinaus über den Parkplatz.
«Lionel Regis, du kannst mich mal!» sagte er leise zu sich.
Kapitel dreiundzwanzig
Bei anderer Gelegenheit dachte er darüber nach, wie er den Postboten am besten begrüßen sollte, denn er brachte Nachrichten von einer Welt außerhalb unserer selbst. Ich und er kamen überein, zur üblichen Zeit hinter der Haustür zu warten undihm bestimmte Fragen zu stellen. An jenem Tag aber kam der Postbote nicht.
(Peter Champkin,
The Sleeping Life of Aspern Williams)
Mittwoch, der 15. Juli, sollte kein besonders denkwürdiger Tag werden. Kein Prophet mit feurigem Gesicht brachte Nachricht von der Botschaft oder dem Namen des Einzigen Wahren Gottes. Einfach ein ziemlich normaler Übergangstag, an dem sich die Dinge getrennt voneinander und nur halb folgerichtig zu ereignen schienen, an dem einige der Hauptfiguren im Fall Schwedenmädchen auf dem Schachbrett auf ihre neuen Positionen bewegt wurden, doch bevor das Spiel noch begonnen hatte.
Auf einer leicht unterkühlten Besprechung um 10.30 Uhr im Büro des Assistant Chief Constable wurde der Fall Schwedenmädchen im Detail neu aufgerollt vom ACC selbst, Chief Superintendent Strange und den Detective Chief Inspectors Johnson und Morse. Man stimmte allgemein überein (mit nur einer abweichenden Stimme), daß eine Verlängerung des ausgedehnten und kostspieligen Suchprogramms auf dem Blenheim-Besitz jetzt wenig bringen würde. Es wurde auch berichtet über die Entscheidung von «höherer Stelle«, daß Morse jetzt die Untersuchung leiten würde und Johnson darum seinen Sommerurlaub wie vorgesehen nehmen könne. Offizielle Äußerungen dieser Art würden natürlich niemanden täuschen — aber sie waren möglicherweise besser als gar nichts.
Unter den Punkten, die noch einmal zur Sprache kamen, befand sich auch ein weiterer Brief, der an diesem Tag in der Times abgedruckt war:
Von Mr. John C. Chavasse
Sir, der Wytham-Wald ist mir außerordentlich vertraut, und ich vermute, fast allen Generationen junger Studenten, die ihre akademischen Grade an der Universität Oxford erworben haben. Wie gut erinnere ich mich an die Sommer-Wochenenden in den späten vierziger Jahren, als ich zusammen mit vielen meiner Kommilitonen durch Lower
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