Finstere Gründe
über ihn. Wir alle — Philip und George auch — hatten ihn ins Herz geschlossen. Er war so etwa das einzige, was Philip manchmal aus den Federn brachte.»
Aber Morses Aufmerksamkeit schien nicht mehr Hunden zu gelten; er schaute durch die Terrassentür, und seine Augen waren offenbar auf einen Punkt am Ende des Gartens gerichtet — ein Garten, der etwa die Breite des Hauses hatte und sich über rund 15 Meter bis zu einem Drahtzaun erstreckte, hinter dem die freien Felder begannen. Es war hier wie auch bei dem Stück Garten vor dem Haus: George Daley, mußte man annehmen, war der Ansicht, er mache genug Gartenarbeit, wenn er sein tägliches Brot in Blenheim verdiene, und brachte wenig, wenn überhaupt etwas von seinem gärtnerischen Fachwissen zu dem ziemlich vernachlässigten Rasen, der den unmittelbaren Hintergrund von Nr. 2. bildete.
«Nicht zu glauben!» sagte Morse. «Sind das nicht Asphodela lutea ?»
Mrs. Daley ging zur Terrassentür.
«Dort!» Morse zeigte die Richtung. «Die gelben Dinger, gleich hinter dem Zaun.»
«Butterblumen!» sagte Lewis.
«Sie haben nicht, äh, ein Fernglas zur Hand, Mrs. Daley?»
«Nein... ich... haben wir nicht, fürchte ich.»
«Haben Sie etwas dagegen, wenn wir mal einen Blick darauf werfen?» sagte Morse. «Muß mir immer widersprechen, mein Sergeant!»
Zu dritt gingen sie durch die Küchentür und durch die (offene) Tür des Nebengebäudes weiter zu dem Rasen hinter dem Haus, wo Gänseblümchen, Löwenzahn und Wegerich sich großzügig hatten ausbreiten dürfen. Morse trat an den Zaun und musterte den Boden um ihn herum; dann warf er einen flüchtigen Blick auf die gelben Blüten, die er vorher entdeckt hatte, und gab zu, daß es sich tatsächlich um nichts anderes als Butterblumen handelte. Mrs. Daley lächelte Lewis vage an, doch Lewis hörte jetzt mit weit größerem Interesse auf Morses scheinbar zielloses Geschwätz.
«Kein Komposthaufen?»
«Nein. George kümmert sich nicht viel um den Garten hier, wie Sie sehen. Er sagt, es reicht ihm, wissen Sie...» Sie zeigte unbestimmt in Richtung Blenheim und ging ihnen voran wieder ins Haus.
«Wie werden Sie Ihren Abfall dann los?»
«Manchmal bringen wir ihn zur Müllkippe. Man kann auch diese Beutel bei der Gemeindeverwaltung kaufen. Früher haben wir ihn verbrannt, aber vor ein paar Jahren haben unsere Nachbarn sich aufgeregt, Ascheflocken auf der Wäsche, Sie wissen schon, und...»
«Wahrscheinlich auch gegen die Gemeindesatzung», fügte Lewis hinzu, und ausnahmsweise schien Morse den Zusatz zu billigen.
Lewis entdeckte auch, als sie sich verabschiedeten, zwischen den Regenschirmen, den Spazierstöcken und dem verzogenen Squash-Schläger das Gewehr in dem Ständer direkt hinter der Eingangstür.
«Geht Ihr Mann gelegentlich auf die Jagd?»
«Ach, das ! Ja, George, manchmal... ja...»
Freundlich erinnerte Lewis sie zum zweitenmal an die Vorschriften der Gesetze: «Sollte unter Verschluß sein, das da. Vielleicht würden Sie Ihren Mann daran erinnern, Mrs. Daley.»
Margaret Daley beobachtete sie durch das Fenster, als sie zu ihrem Auto gingen. Etwas hartnäckig, der Sergeant, was ihre Bürgerpflichten betraf. Der Inspector dagegen... nun, er schien viel netter zu sein, mit seinem Interesse für Hunde und Blumen und die Dekoration des Wohnzimmers — ihre Dekoration. Doch während der letzten Minuten hatte sie ihre Beurteilung etwas in Frage gestellt, und sie hatte das Gefühl, daß es wahrscheinlich Morse sein würde, der am Abend noch einmal kam. Nicht daß es wirklich etwas gab, worüber man sich Sorgen machen müßte. Na ja, die eine Sache vielleicht.
Obwohl es ein Sonnabend war — und der erste Ferientag — , war Mrs. Julie Ireson, Berufsberaterin an der Cherwell School, Oxford, durchaus bereit gewesen, gleich nach dem Lunch mit Lewis zu sprechen. Lewis war daran gelegen, das Treffen so bald wie möglich hinter sich zu bringen, weil er völlig übermüdet war und Morses strikte Anweisung, eine lange Ruhepause einzulegen — ganz gewiß für den Rest des Tages, und vielleicht auch für den nächsten Tag, Sonntag, falls sich keine dramatische Entwicklung ergab — , gern akzeptiert hatte.
Sie wartete auf dem verlassenen Parkplatz, als Lewis eintraf, und führte ihn sofort hinauf in ihr Arbeitszimmer im ersten Stock, wo die Regale an den Wänden übersät waren mit Literatur über Pflegeberufe, Sekretärinnen-Kurse, Lehrlingsausbildung, Gewerbeschulen, polytechnische Schulen, Universitäten... Für
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