Finstere Gründe
Stirn enthüllte.
«Es geht um das Ding, was ich gefunden habe, nehm ich an?»
«Um die Dinge, ja», sagte Morse bedacht.
«Ich kann Ihnen nur das sagen, was ich denen schon damals gesagt habe. Ich hab eine Aussage gemacht und sie unterschrieben. Mehr kann ich nicht tun.»
Morse nahm ein gefaltetes DIN-A-4-Blatt aus seiner Tasche, entfaltete es und reichte es Daley. «Ich hätte es nur gern, wenn Sie sich das durchlesen würden und sich vergewisserten, daß es... nun, Sie wissen schon, ob Sie nicht noch etwas hinzufügen können.»
«Ich habe Ihnen doch gesagt, daß das alles ist.» Daley fuhr sich mit der Hand über die unrasierte Wange und erzeugte ein Geräusch wie Sandpapier auf Holz.
«Ich hätte es nur gern, wenn Sie sich das noch einmal durchlesen würden», sagte Morse. «Mehr will ich ja gar nicht.»
«Dazu brauch ich meine Brille. Sie ist im Schuppen...»
«Machen Sie sich deswegen jetzt keine Gedanken. Besser, wenn Sie sich etwas Zeit lassen. Nur keine Hast. Wie ich sagte, ich möchte nur, daß Sie sich überzeugen, daß alles genauso ist, wie Sie sagten, daß nichts vergessen worden ist. Wissen Sie, manchmal sind es die Kleinigkeiten, die etwas völlig verändern können.»
«Wenn da noch was andres wäre, hätte ich es wohl dem anderen Inspector gesagt, oder?»
Bildete Lewis es sich ein, oder stand für einen Augenblick ein besorgter Ausdruck in den blassen Augen des Gärtners?
«Sind Sie heute abend zu Hause, Mr. Daley?» fragte Morse.
«Was... am Sonnabend? Am Wochenende gehe ich gewöhnlich rüber ins Pub, ein oder zwei Bierchen trinken, aber...»
«Wenn ich gegen... sagen wir sieben bei Ihnen wäre?»
George Daley stand regungslos da und sah mit zusammengekniffenen, unbewegten Augen den beiden Polizisten nach, wie sie unter dem Torbogen hindurch zum Parkplatz für Besucher gingen. Dann fiel sein Blick wieder auf seine fotokopierte Aussage. Da war nur die eine Sache, die ihm Sorgen machte, ja. Es war sein verdammter Sohn, der alles versaut hatte. Brachten mehr Ärger, als sie wert waren, Kinder. Besonders er\ Wurde zu einem richtigen Unruhestifter, kam nach Hause, wann es ihm paßte — wie letzte Nacht. Verdammte 3.30 Uhr. War zusammen mit seinen Kumpels, sagte er — nach der Sause zum Ende vom Trimester. Er hatte natürlich einen Schlüssel, aber seine Mutter konnte nie schlafen, bevor er nach Hause kam. Alberne Gans!
«Wohin, Sir?» fragte Lewis.
«Ich denke, wir werden Mrs. Daley kurz besuchen.»
«Was halten Sie von Mr. Daley?»
«Ein bißchen nervös.»
«Die meisten Leute reagieren etwas nervös auf die Polizei.»
«Mit gutem Grund, einige von ihnen», sagte Morse.
Lewis hatte Margaret Daley früher am Tag angerufen und gefragt, wo ihr Ehemann sei, und die Frau, die ihnen die Tür von Blenheim Villas Nr. 2 öffnete, zeigte keine Überraschung. Sie schien, nach dem ersten Eindruck, auf einer höheren Stufe zu stehen als ihr Gärtner-Gemahl: adrett gekleidet, mit angenehmer Stimme, gepflegt, das hellbraune Haar kunstfertig von blonden und grauen Strähnen durchzogen.
Morse entschuldigte sich für die Störung, sah sich in dem neutapezierten, nett eingerichteten, sich von vorne bis nach hinten erstreckenden Wohnzimmer um, machte ein paar Komplimente von der Art und erklärte ihr, warum sie gekommen seien und um sieben Uhr abends wiederkommen würden — jedenfalls einer von ihnen.
«Sie waren es, Mrs. Daley, nicht wahr, die Ihren Mann dazu veranlaßte, den Rucksack abzugeben?»
«Ja, aber er hätte es auch von sich aus getan, etwas später, das weiß ich.»
Die Regale an den Wänden waren gefüllt mit Porzellanfiguren aller Formen und Größen; Morse ging hinüber zu dem Bord über dem elektrischen Kaminfeuer, nahm vorsichtig die Figur eines kleinen Hundes herunter und betrachtete sie kurz, bevor er sie wieder an ihren Platz zurückstellte.
«King Charles?»
Margaret Daley nickte. «Cavalier King Charles. Wir hatten einen — bis zum vergangenen Februar. Mycroft. Lieber kleiner Hund! Liebes Gesicht! Wir haben alle geweint, als der Tierarzt ihn einschläfern mußte. Leider keine sehr widerstandsfähige Züchtung.»
«Die Leute nebenan von uns haben einen», warf Lewis kühn ein. «Immer beim Tierarzt. Hat eine Krankengeschichte so lang wie mein Arm.»
«Danke, Lewis. Ich denke, Mrs. Daley ist nicht besonders erpicht darauf, an einen schmerzlichen Verlust erinnert zu werden...»
«Oh, das ist schon in Ordnung. Eigentlich spreche ich gern
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