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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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überrascht. «Oder Sie, Lewis. Oder Sie!»
    «Sehr freundlich von Ihnen, Sir.»
    «Keineswegs. Nur daß ich einen Horror vorm Fliegen habe — das wissen Sie ja.» Aber seine Stimme klang wieder etwas traurig.
    «Alles in Ordnung?» fragte Lewis leise.
    «Wird’s bald wieder sein — machen Sie sich keine Gedanken. Und jetzt frage ich mich, ob Mr. Daley noch immer auf dem Blenheim-Besitz arbeitet.»
    «Aber heute ist Sonnabend. Wahrscheinlich hat er frei.»
    «Ja... Und sein Sohn... Philip, glaube ich?... der Junge, der kurzfristig einen Fotoapparat besaß, Karin Erikssons Apparat. Er ging im letzten Jahr noch zur Schule.»
    «Tut er wahrscheinlich noch immer.»
    «Nein, das ist nicht ganz korrekt, Lewis. Die staatlichen Schulen in Oxfordshire haben gestern, am 17., geschlossen.»
    «Wie haben Sie das herausgefunden?»
    «Ich habe angerufen und gefragt. So habe ich es herausgefunden.»
    «Sie haben sich ja mächtig ins Zeug gelegt am Telefon!» sagte Lewis fröhlich, stand auf und ging das Auto holen.

    Während er über die A3400 nach Begbroke fuhr, wanderten Lewis’ Blicke kurz und nicht besonders neugierig nach links, als Morse einen Umschlag öffnete, einen einzelnen handbeschriebenen DIN-A4-Bogen herausnahm und las (tatsächlich nicht zum ersten-, nicht einmal zum viertenmal):

    Lieber Chief Inspector,
    S h D f I B und für die interessante Plattenauswahl. Es würde ein gutes Thema für eine Debatte in der Oxford Union abgeben — Aber lassen Sie mich sagen, was Sie wissen möchten. Ich habe 1976 geheiratet, wurde 1982 geschieden, habe 1984 wieder geheiratet und lebe seit 1988 getrennt. Ein Kind, eine Tochter, die jetzt zwanzig ist. Nun rechnen Sie sich das aus, Schlaumeier! Wie Sie wissen, treffe ich mich ziemlich regelmäßig mit einem verheirateten Mann aus Oxford, und weniger regelmäßig mit anderen. Fertig! Und jetzt, lieber Gott, kommen Sie daher, und ich hasse Sie deswegen, weil Sie meine Gedanken beherrschen, und das zu einem Zeitpunkt, als ich mir gesagt hatte, daß ich all diesen Unsinn hinter mir habe.
    Ich schreibe aus zwei Gründen. Erstens, um zu sagen, daß ich eine Vorstellung habe, wie das junge Mädchen, das Ihre Gedanken beherrscht, an etwas Bargeld herangekommen sein könnte. (Genauso wie ich!) Zweitens, um zu sagen, daß Sie ein aroganter Kerl sind! Sie schreiben mir, als hielten Sie mich für ein ahnungsloses kleines Schulmädchen. Lassen Sie mich Ihnen sagen, daß Sie nicht die einzige sensible Pflanze im ganzen verdammten Universum sind. Sie zitieren diese Dichter, als glaubten Sie, Sie seien mit ihnen allen durch eine direkte persönliche Leitung verbunden. Nun, Sie irren sich. Es gibt Hunderte von Nebenanschlüssen, wie in dem Büro, in dem ich einmal gearbeitet habe. Also bitte!
    Bitte schreiben Sie wieder.
    Darf ich es wagen, Ihnen ein wenig von meiner Liebe zu schicken?
    C.

    Morse hatte den Rechtschreibfehler vorher nicht bemerkt, und während er den Brief wegsteckte, versprach er sich selbst, ihn nicht zu erwähnen... wenn er zurückschrieb.

    «Mir ist noch immer nicht ganz klar, warum wir mit Mr. Daley sprechen wollen, Sir.»
    «Er verheimlicht uns etwas, darum.»
    «Aber Sie können nicht behaupten...»
    «Hören Sie, Lewis, wenn er nichts verheimlicht, gibt es keinen Grund für uns, mit ihm zu sprechen, stimmt’s?»
    Lewis war, nicht ungewohnt, verwirrt über diese närrische Logik und beließ es dabei.
    Jedenfalls hörte Morse sich plötzlich erstaunlich heiter an.

Kapitel achtundzwanzig

    Sei es noch so bescheiden — es gibt keinen besser geeigneten Ort als zu Hause, um einen langsam verrückt zu machen

    (Diogenes Small, Obiter Dicta)

    George Daley machte Überstunden und pflanzte Blumen im Garden Centre von Blenheim, als er aufschaute und zwei Männer vor sich sah, von denen der kleinere ihm kurz einen Ausweis vor die Nase hielt. Er wußte natürlich, worum es ging. Die Oxford Mail hatte lebhaftes Interesse an dem wiedererwachten Fall gezeigt, und Daley wußte, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis die Polizei wieder auftauchte.
    «Mr. Daley? Chief Inspector Morse. Und das ist Sergeant Lewis.»
    Daley nickte, drückte mit gespreizten Fingern eine Ringelblume fest und erhob sich. Er war ein Mann Mitte vierzig, von schlanker Gestalt, und er trug einen schäbigen khakigrünen Filzhut, den er jetzt etwas zurückschob und damit eine rote Linie auf seiner schweißnassen

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