Finsteres Licht
g und Wut lag in meinen Worten und überzeugten ihn.
„Lass dir Zeit. Nicht zu viel, wohlgemerkt. Wenn du dich zu sehr unter Druck setzt, wird es vermutlich länger dauern als wir beide wollen.“
C h iara schenkte mir ein mitfühlendes Lächeln. Sie verstand genauso gut wie ich, wie seine Worte gemeint waren.
„Vielleicht hast du recht“, pflichtete ich ihm bei und spielte das kleine trübsinnige Mädchen vor. In Wirklichkeit brodelte der Streit mit Levana noch immer in mir.
„Das habe ich. Glaub mir. Und jetzt ruh dich aus, damit deine nächste Sitzung besser läuft .“
„Mach ich. Und euch wünsch ich viel Spaß dort wo ihr hingeht. Ihr seht gut aus.“
Ein schleimiges Kompliment hat noch nie geschadet, dachte ich. Wobei ich es bei Chiara ernst meinte. Sie sah wie eine Königin aus. Wunderschön und traumhaft, wie in einem Märchen.
„Danke, das werden wir“, antwortete Chiara aufrichtig.
Meine nächste Sitzung wäre dafür gedacht, an meinen Erinnerungen zu arbeiten. Constan t in allerdings strich diese Therapiestunden von meinen Plan. Er hatte mit Levana gesprochen und die erzählte ihm, wie unkonzentriert und müde ich war. Sie überzeugte ihn davon, die Erinnerungsfindung zu streichen, damit ich mich ausschließlich darauf konzentrieren konnte, was er wollte. Es war mir aber sowieso egal. Levanas Hexerei war schuld an meiner Amnesie und ich wusste ohnehin, dass diese Therapie nur vorgespielt war. Es war eben nur interessant zu erfahren, wie ich an meine Erinnerungen kommen könnte. Und ich glaubte sowieso, dass d ie Bücherregalsache eine hinterlistige Strategie war . Während ich nach meinen Erinnerungen stöberte, hatte sie bestimmt einen Zauber parat, der verhinderte, da s s ich fündig wurde.
Der nächste Tag war t herapiefrei und ich verbrachte ihn in meinem Zimmer. Ich entschied mich die langen Stunden zu nutzen, um allein an den Bücherregalen zu arbeiten. Ich ging so vor, wie Levana es mir bei unserer ersten Sitzung erklärt hatte und versuchte Erinnerungen in den Bücherregalen der Zeit nach zu sortieren. Dabei gingen mir immer wieder Williams Worte durch den Kopf. Doch an Alabama, Philadelphia oder an meine Adoptiveltern konnte ich mich einfach nicht erinnern. Einmal, nur ganz kurz, dachte ich etwas zu sehen. Verschwommene Bilder einer toten Frau, die auf dem Boden in ihrem eigenen Blut lag, verzerrten sich ineinander. Beinahe hätte ich nicht erkannt, dass es sich um eine Frau handelte, so unscharf war es. Weil ich nicht daran interessiert war, mich an Tote zu erinnern, sondern eher etwas Normales von mir erfahren wollte, brach ich ab. Außerdem stahlen sich ohnehin ständig William und dieser Kuss in meine Gedanken. Daher verbrachte ich sehr viel Zeit damit, an ihn zu denken. Ob er heute Nacht wohl wieder im Wald sein würde? Bei dem Gedanken daran wuchs in mir der Wunsch, dass er es wäre. Ich wollte ihn wieder sehen. Seine Stimme hören und in diese faszinierenden Augen schauen.
Ich beschloss Nitsa bei Einbruch der Dunkelheit einen Besuch abzustatten. Ich war durstig und mir brannte die Kehle, weil ich in der Burg keinen Schluck Blut mehr hinunter bekam. Es war gestohlenes Blut von Blutsklaven. Alles in mir weigerte sich auch nur noch einen Tropfen davon zu trinken. Aris wollte mir von seinem nächsten Ausflug in Besov freiwillig gespendetes Blut besorgen. Doch bis ich das bekam, konnten Tage vergehen und ich hatte nicht so viel Zeit und Energie um meinen Blutdurst zu vertuschen. Spätestens wenn ich Levana das nächste Mal gesehen hätte, wäre ich aufgeflogen. Und welche Erklärung gab es dafür, in einer Burg mit Unmengen von Nahrung zu hungern?
Die Stunden zogen sich ewig dahin. Ich verbrachte die Zeit auf meinem Bett und versuchte nun das Durcheinander meiner Gefühle zu analysieren. William sagte, dass es seine Gefühle waren, die mich verwirrten. Ich probierte, mich ganz bewusst auf das zu konzentrieren, was ich empfand und versuchte zwei Fronten in mir zu bilden. Ich trennte die Gefühle, für die ich eine Erklärung hatte von denen, die mich irgendwie immer verunsicherten und etwas schwächer waren, aber immer wieder an die Oberfläche drangen. Weitere Stunden vergingen und irgendwie schaffte ich es, manche nicht als meine eigenen Empfindungen zu betrachten. Dann schob ich sie beiseite und es funktionierte. Plötzlich gehörten sie nicht mehr zu mir und grenzten sich von meinen eigenen Gefühlen, die auch so noch chaotisch genug waren, ab. Dieser kleine Erfolg
Weitere Kostenlose Bücher