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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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aber da war nur Stille und der Duft der Sommernacht, der Geschmack von kühlem Wasser und das wachsende Gefühl, dass etwas Großes näher kam. Es war, als stünde ich auf den Schienen und merkte an der ersten Vibration des Stahls, dass sich der Zug näherte, ohne dass er zu sehen war. Soweit das Auge reichte, waren die Gleise leer, nur die Vibration war zu spüren wie ein schneller Puls unter den Füßen, und sie sagte, dass mehrere Tonnen Stahl auf mich zurasten. Jedes Jahr sterben Leute auf den Schienen und oft sind ihre letzten Worte: Ich hab ihn gar nicht kommen sehen. Ich habe immer gedacht, dass Züge magisch sein müssen, da die Leute sie sonst sehen und von den Schienen springen würden. Ich spürte nun, wie dieses Große auf mich zubrauste und wäre gern von den Schienen gesprungen, doch leider waren die in meinem Kopf, und ich hatte keine Ahnung, wie ich daraus entkommen sollte.
    Etwas rieb an meiner Haut, als drängte sich ein großes Tier der Länge nach an mich. Ich spürte, wie Nathaniel sich zurückzog, konnte ihn aber durch das weiße Licht nicht sehen. Atemlos und ängstlich fragte er: »Was ist das?«
    Ich machte den Mund auf, unsicher, was ich sagen sollte, als sich dieses unsichtbare Tier an meine Brust und gegen das Kreuz warf. Das Kreuz flammte grell auf. Wir schrien erschrocken. Geblendet trat Jason auf die Bremse und hielt mitten auf der Straße an; wahrscheinlich sah er nicht genug, um zu fahren.
    Das Leuchten wurde schwächer. Einen Moment lang fragte ich mich, ob es mir die Netzhaut verbrannt hatte, dann kam mein Sehvermögen nach und nach zurück. Ich spürte das Tier noch; es war sie, und sie drückte mich in den Sitz, presste sich gegen das Kreuz, als fräße sie das Licht.
    Nathaniel starrte mich an, mit dunkelgrauen Leopardenaugen, die in der Sonne einen Hauch Blau hatten. »Sie ist ein Gestaltwandler«, flüsterte er. Und er hatte recht. Gestaltwandler konnten nicht zum Vampir werden und umgekehrt. Das Lykanthropie-Virus wehrte Vampirismus ab. Beides konnte man nicht werden. Das war ausgeschlossen. Dennoch war, was mich gegen den Sitz presste, ein Tier und kein Mensch. Was für ein Tier, konnte ich nicht ausmachen, aber ein Tier war es. Wie die Mutter aller Finsternis zugleich ein Vampir und ein Gestaltwandler sein konnte, war mir schleierhaft und interessierte mich im Moment auch nicht. Ich wollte nur, dass sie mich gefälligst in Ruhe ließ.
    Das Kreuz glühte, aber nur das Metall selbst, so als wäre es hohl und im Innern brannten Kerzen. Das Licht war weiß und flackerte jetzt. Ich hatte es noch nie erlebt, dass ein Kreuz wie ein Feuer flackerte. Die Gestalt an mir drückte und wälzte sich, als wollte sie in mich hinein, aber das Kreuz leuchtete weiter und bildete einen metaphysischen Schild, der sie daran hinderte.
    »Wie können wir helfen?«, fragte Jason. Der Jeep stand weiter mitten auf der Straße. Ein Wagen, der hinter uns festsaß, hupte. Auf beiden Seiten parkten Wagen der Anwohner und ließen nicht genug Platz, als dass uns ein zweiter hätte überholen können. Vor den kleinen Häusern gab es nicht einmal Einfahrten zum Wenden. Jason schaltete den Warnblinker ein, und der Wagen hinter uns setzte zurück.
    Ich traute mich nicht, meine Verbindung zu Richard und Jean-Claude zu öffnen. Was, wenn die Urfinsternis sie gleichfalls nutzen und zu den beiden vordringen konnte? Jean-Claude konnte auf christlichen Glauben als Schutz nicht zurückgreifen. Richard glaubte zwar, aber ob er zufällig gerade ein Kreuz trug, war fraglich. Es war lange her, dass ich eins an ihm gesehen hatte.
    Während ich noch nachdachte, nahm Jason meine Hand. Der Geruch nach Sommernacht verschwand nicht, sondern es kam ein neuer hinzu: Wolfsgeruch. Das kühle Wasser, das meinen Rachen zu netzen schien, schmeckte jetzt nach Lehmboden und Wald, nicht mehr nach Jasmin.
    Mir trat ein Bild vor Augen: ein großer Tierkopf mit langen Zähnen, den längsten Reißzähnen, die ich je gesehen hatte. Das Fell war golden, hellbraun und rötlich, eher gefleckt als gestreift, mehr Löwe als Tiger. Augen wie aus goldenem Feuer blickten in meine, und das riesige Maul öffnete sich weit und brüllte seine Frustration hinaus. Es klang wie der Schrei eines Panthers. Den konnte man manchmal mit dem Schrei einer Frau verwechseln, und vielen Pionieren war das passiert, aber in diesem Fall würde man eher an einen Mann denken, einen Mann unter der Folter, der sich die Seele aus dem Leib schrie.
    Ich schrie ebenfalls, so

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