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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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auf die Straße sehen. Er achtete ja durchaus auf den Verkehr, und auch ich erwartete, den blauen Jeep wieder auf die Straße einbiegen zu sehen. Aber das passierte nicht. Wir fuhren in dichtem Verkehr weiter, bis die Auffahrt hinter Bäumen und parkenden Autos verschwand.
    »Scheint nur zufällig denselben Weg gehabt zu haben«, sagte Jason.
    »Ja, scheint so.«
    Nathaniel rieb sich das Gesicht an meinem Bein. »Du riechst aber ängstlich, als ob du es nicht glaubst.«
    »Tue ich auch nicht«, sagte ich.
    »Warum nicht?«, fragte Caleb und beugte sich zwischen die Sitze.
    Schließlich drehte ich mich doch um, sah aber nicht ihn an, sondern an ihm vorbei die freie Straße hinunter. »Aus Erfahrung.«
    Ich roch Rosen, und eine Sekunde später begann das Kreuz um meinen Hals zu leuchten.
    »Oh Mann«, flüsterte Jason.
    Mein Herz klopfte heftig, aber meine Stimme klang ruhig. »Sie kann mich nicht manipulieren, solange ich ein Kreuz trage.«
    »Bist du sicher?«, fragte Caleb und lehnte sich wieder in den Rücksitz.
    »Ja, ganz sicher.«
    »Warum?«, fragte er mit großen Augen.
    Ich sah ihn blinzelnd an, während das weiche, weiße Licht im Schatten unter Bäumen heller wurde und an sonnigen Straßenabschnitten kaum zu erkennen war. »Weil ich daran glaube«, antwortete ich, und mein Ton war genauso weich wie das Licht und genauso sicher. Ich hatte es schon erlebt, dass Kreuze schlagartig blendend hell aufleuchteten, aber da hatte ich Auge in Auge mit einem Vampir gestanden, der es nicht gut mit mir meinte. Belle war weit weg, und das Leuchten war entsprechend schwach.
    Ich rechnete damit, dass sich der Rosenduft wieder verstärkte, aber er blieb schwach.
    Ich wartete auf Belles Stimme, aber auch die blieb aus. Jedes Mal wenn sie in meinem Kopf gesprochen hatte, war der Rosenduft besonders stark gewesen. Er blieb aber schwach und von Belle war nichts zu hören. Ich schlang die Finger um das Kreuz, fühlte die Wärme, während mir seine Macht den Arm hinaufkribbelte und wie ein gleichmäßiger Herzschlag in der Hand pochte. Caleb fragte, wie ich noch glauben könne. Und wie immer wollte ich zurückfragen, wie er denn nicht glauben könne.
    Dann spürte ich Belles Ärger in der Luft. Ihre Macht füllte den Jeep mit einem atemberaubenden Schwall, der einem die Haare aufrichtete. So viel Macht und alles, was sie bewirken konnte, war ein Bild in mir, wie sie vor ihrer Frisierkommode saß. Ihre langen schwarzen Haare waren gelöst und hingen wie ein Mantel um den schwarz-goldenen Morgenrock. Sie betrachtete sich im Spiegel mit Augen voller Feuer. Sie sah aus wie blind, da keine Pupillen zu sehen waren, nur die Farbe ihrer Macht.
    »Du kannst mir jetzt nichts anhaben«, flüsterte ich.
    Sie blickte in den Spiegel, als stünde ich direkt hinter ihr. Zorn verwandelte ihre bleiche Schönheit in etwas Erschreckendes, in eine bloße Maske, die so unecht wirkte wie ein Halloweenkostüm. Dann drehte sie sich um und schaute an mir vorbei, und die Angst in ihrem Gesicht war so echt, so unerwartet, dass ich mich ebenfalls umdrehte, und ich sah … etwas.
    Dunkelheit. Dunkelheit wie eine aufsteigende Woge, die mich überragte. Wie ein flüssiger Berg ragte sie unter dem unmöglich hohen Himmel auf. Der Raum, den Belle aus Träumen und Macht erbaut hatte, brach zusammen, zerstob zu Nichts und hinterließ Dunkelheit. Absolute Dunkelheit, die so schwarz war, dass ich meinte, andere Farben darin schimmern zu sehen wie in einer Öllache oder bei einer Lichtbrechung. Als wäre das Schwarz aus allen existierenden Farben gemacht, aus jedem Anblick, jedem Seufzer, jedem Schrei seit dem Anbeginn der Zeit. Ich kannte den Ausdruck Urfinsternis, aber erst jetzt begriff ich, was damit gemeint war. Jetzt verstand ich es wahrhaftig und Verzweiflung ergriff mich.
    Ich starrte in das Meer aus Dunkelheit, das sich über mir erhob, als hätte es Himmel und Erde nie gegeben. Das war Finsternis vor allem Licht, vor dem Wort Gottes. Es war wie der Atem einer älteren Schöpfung. Aber wenn dies Schöpfung war, dann keine, die ich verstehen konnte, keine, die ich verstehen wollte.
    Belle schrie als Erste. Ich glaube, ich staunte zu sehr, um zu schreien oder um Angst zu haben. Ich blickte in die Urhölle, in die Urfinsternis und empfand Verzweiflung, aber keine Angst.
    Mein Verstand suchte nach beschreibenden Worten. Sie ragte über mir auf wie ein Berg, ja, denn sie hatte Gewicht und das Klaustrophobische einer Felswand, die auf einen herabzukippen droht, aber

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