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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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ein, wo es auf harmloses Aussehen ankommt?«
    Bobby Lee dachte über die Frage nach, aber schließlich war es bei ihm schon sein Leben lang immer mehr auf Muskeln angekommen. »Sie ist heute das einzige Mädchen hier, abgesehen von dir, und dich würden die Kerle erkennen.«
    »Bist du wirklich der Meinung, dass die sich durch Claudia weniger bedroht fühlen würden als durch einen kleineren, nicht so stark gebauten Mann?«
    Endlich schaltete Bobby Lee, setzte zum Reden an, stockte, lächelte und lachte laut auf. »Ich verstehe, was du meinst, aber wenn ich ehrlich sein soll, ja, sie werden sich nicht bedroht fühlen. Männer sehen eine Frau nicht als Bedrohung an, egal wie groß sie ist, einen Mann dagegen immer, egal wie klein er ist.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Warum? Weil wir Brüste haben und ihr nicht?«
    »Gib’s auf, Anita«, sagte Claudia, »gib’s einfach auf. Er ist ein Mann, er kann nicht anders.«
    Da ich kein Mann war, glaubte ich Bobby Lee, dass die bösen Jungs weniger misstrauisch werden würden, wenn der Verursacher des von uns inszenierten Unfalls eine Frau war. Ich musste zugeben, ich selbst fühlte mich durch eine Frau auch nicht gleich bedroht. Aber es kam mir falsch vor. Claudia zog sich ein hellblaues Herrenoberhemd über und knöpfte es zu, auch die Ärmel. Die obersten Knöpfe ließ sie offen, um ein bisschen Busen zu zeigen, dann zog sie das Band aus den Haaren und schüttelte sie. Eine geschmeidige, schwarze Flut fiel nach vorn über ihre Schultern und gab ihr ein weicheres Aussehen. Plötzlich konnte ich mir gut vorstellen, wie sie aussehen könnte, wenn sie sich ein bisschen zurechtmachte. Spektakulär, fiel mir spontan ein.
    Bobby Lee beobachtete ihre Verwandlung mit offenem Mund. Ich glaube, ich hätte ihm zwei Kugeln verpassen können, bevor er zu einer Reaktion fähig gewesen wäre. Scheiße. Da hätte ich ihm mehr zugetraut.
    Claudia fing meinen Blick auf und zog eine Braue hoch. Das sagte alles. Es war einer dieser Momente wortloser Verständigung unter Frauen, und ich glaube, die hatte sie ungefähr so selten wie ich. Wir verbrachten wohl beide zu viel Zeit mit Männern. Aber egal wie oft wir denen das Leben retteten, egal wie viele Gewichte wir stemmten, wie groß oder wie stark oder wie kompetent wir waren – wir blieben Frauen. Und das stand für die meisten Männer immer im Vordergrund. Es war gar nicht unbedingt wertend gemeint, es war einfach so. Wenn eine Frau mit einem Mann gut befreundet ist, vergisst sie mitunter, dass er ein Mann ist. Männer vergessen bei einer Frau selten, dass sie eine Frau ist. Meistens ärgerte mich das, aber heute würden wir es gegen die bösen Jungs verwenden. Die würden nur die tollen Haare und Brüste sehen und sie unterschätzen, weil sie eine Frau war.

35
    S oweit ich wusste, waren sie mir nur einen Tag lang gefolgt. Warum fand ich es dann so dringend, den Grund zu erfahren? Erstens: Ihn zu kennen war besser, als ihn nicht zu kennen. Und zweitens: Ich war wirklich mieser Laune.
    Ich hatte keine Ahnung, was ich wegen Asher machen sollte. Ich wollte ihn nicht verlieren, traute dem Gefühl aber nicht mehr, war mir sogar ziemlich sicher, dass es nicht echt war. Vielleicht hatte ich ihn nie wirklich geliebt. Vielleicht war das immer eine Täuschung gewesen. Mein Verstand sagte mir zwar, dass das nicht sein konnte, aber meine Angst fand diese Theorie prima. Was mich am meisten beschäftigte, war die Frage, welche Reaktion jetzt die heldenhafte wäre. Wäre es mutig und richtig, Asher für seinen Betrug fallen zu lassen? Oder war er im Recht und hatte lediglich getan, worum ich ihn gebeten hatte? Sah ich die Sache falsch? Und wenn ja, bei wie vielen Dingen war ich schon vorher falscher Ansicht und folglich unfair gewesen? Offenbar kam mir in letzter Zeit so langsam mein Gefühl für Richtig und Falsch abhanden. Ohne meinen selbstgerechten Zorn fühlte ich mich völlig verunsichert. Gar nicht mehr wie ich selbst.
    Was, wenn Claudia ebenfalls meinetwegen umkäme, wie ihr Freund Igor vor ein paar Monaten? Und wenn Bobby Lee draufginge wie sein Freund Chris? Etwa die Hälfte aller Werratten, die Rafael, ihr König, mir geliehen hatte, waren bisher umgekommen. Niemand beschwerte sich darüber, aber heute war der Gedanke an weitere Verluste für mich völlig inakzeptabel.
    Wenn ich nicht bereit war, das Leben dieser Leute zu riskieren, konnten wir den Plan vergessen. Wir brauchten vier Fahrzeuge, um vier Straßen zu blockieren, damit uns die

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