Finsteres Verlangen
sahen noch aus wie vorher, zwei Ovale aus hellblauem Feuer wie ein lodernder Winterhimmel.
Sowie ich seine Augen sah, wollte ich mich von Richard losmachen und zu Asher kriechen.
»Anita, Anita, was ist los?« Richard hielt mich fest, drehte mich zu sich herum, damit ich ihn ansah.
Ich brachte nur ein Wort heraus: »Asher.«
Er betrachtete den zusammengesunkenen Vampir mit sichtlicher Empörung. »Ich weiß, Anita, es tut mir leid.«
Ich war mir nicht sicher, wofür er sich entschuldigte, und es war mir auch egal. Es gab etwas anderes, worüber ich mir mehr Sorgen machen sollte und das ich vergessen hatte, aber ich konnte an nichts anderes denken als an Ashers Augen und dass ich zu ihm hin musste. Unbedingt.
Richard stand plötzlich auf, ohne mich loszulassen. Man hörte unzählige winzige Klauen über den Boden scharren. Ratten, Tausende Ratten überschwemmten fiepend die Höhle.
Ashers Kräfte schwanden, und ich wusste, es hatte ihn viel gekostet, mich loszulassen. Und zugleich begriff ich, dass ich ihm als Einzige genügend Energie spenden konnte, um ihn am Leben zu halten.
Richard erschrak und drehte mich, damit ich sehen konnte, was ihn plötzlich erblassen ließ. Die schwarzen Vampire, denen ich den Kopf halb weggeschossen hatte, erhoben sich langsam. Ihre Wunden waren verheilt, die sonderbaren Gesichter mit den katzenhaften Augen hatten nicht mal eine Narbe, wo die Kugel sie getroffen hatte.
»Scheiße.«
Einem der Leibwächter, einer Werhyäne, gingen die Nerven durch, er schoss in die wimmelnde Masse der Ratten. Ein zweiter Schuss folgte, und er fiel mit einem Loch im Rücken zwischen die Ratten. Sie stürzten sich auf ihn, bis er unter ihnen verschwand. Doch nichts überdeckte die folgenden Geräusche, denn ich hatte nicht nah genug bei dem Schützen gestanden, um taube Ohren zu haben, was ich zum ersten Mal bedauerte. Die Fressgeräusche und das Gefiepe der Nager füllten die Höhle.
Einer von Bobby Lees Leuten starrte entgeistert auf seine Schusswaffe, als wäre sie von selbst in seiner Hand erschienen, dann wandte er uns sein bleiches Gesicht zu. Ich glaube, seine Lippen formten ein stummes »Tut mir leid«, dann brüllte Bobby Lee: »Waffen weg, verflucht, sofort! Nicht schießen!« Er selbst warf seine Pistole in eine Saalecke, und die Werratten folgten seinem Beispiel.
Die Werhyänen senkten die Waffen, aber nur eine warf ihre weg. Bobby Lee sank in die Knie und faltete die Hände auf dem Kopf. Claudia tat dasselbe, dann seine übrigen Leute. Ich wusste, warum. Sie fürchteten, Musette könnte sie zwingen, sich gegen uns zu wenden. Aber ich hätte nicht am Boden knien mögen, wo die Ratten einen so leicht anfallen konnten.
Endlich konnte ich wieder so weit denken, um mich zu erinnern, dass Jean-Claude vielleicht gerade um sein Leben rang. Doch das war nicht der Fall. Belle hielt sein schönes Gesicht in den Händen, aber er stand noch. Er hatte die Hände auf ihre gelegt und presste sie an seine Wangen. Er sah unverändert aus. Ein mildes Lächeln kräuselte seine Lippen. Es waren Belles Augen, die groß vor Verblüffung, ihr Gesicht, das unglücklich war. Er konnte sie nicht aussaugen wie sie Asher, aber überraschenderweise gelang es ihr nicht, von ihm zu zehren.
Ich wusste, Musette hatte die Ratten gerufen, glaubte aber nicht, dass sie mit den erholungsfördernden Kräften der schwarzen Vampire zu tun hatte. Die halfen einander aufzustehen und sahen weder Belle noch sonst jemanden an. Mir blieb ein Augenblick für den Gedanken, ob sie sich für den Schuss rächen würden, dann fiel ein Rattenheer einen Leibwächter der Werhyänen an und biss sich durch das schwarze Leder. Ringsherum wurde geschrien. Die Werhyänen eröffneten das Feuer auf die kleinen Ratten und zerschossen die Tiere zu blutigen Kadavern. Doch es waren so viele.
Sie strömten um die knienden Werratten wie Wasser um Felsblöcke.
»Kannst du stehen?«, fragte mich Richard.
»Wahrscheinlich.«
Er ließ mich behutsam herunter, dann schaute er zu den Werwölfen, die mit unglücklichen Gesichtern beieinander standen. Offenbar war Richards Aktion mit Sylvie brutal genug gewesen, dass keiner den Gehorsam verweigerte. Na ja, nur Jason wehrte sich, eingeklemmt in Shang-Das Armbeuge, aber sonst machte niemand Anstalten zu helfen. Was hatte Richard mit Sylvie gemacht?
Plötzlich roch es scharf nach Wolfsfell, feuchtem, moderndem Laub, Nadelbäumen, als hätte ich an einem stillen Morgen mit pelziger Schulter die betauten
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